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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Freunde und hieß mit Vornamen Emil. Es ist ein von Valentin, Sprößling des griechischen Kaisers Valentinus, des Ahnherrn aller Valentiner und Gründers von Valencia in Spanien und Valence in Frankreich!« –
    »So wünsch' ich ihm Geld und Truppen«, entgegnete der Notar, «sein legitimes Eigentum Konstantinopel sich wieder zu erobern. Bis dahin mag er unser Journal redigieren.« –
    »Oh!« bemerkte Emil: »er würde ebenso leicht eine griechische Zeitschrift in Konstantinopel, oder eine indische, ebräische oder eine englische, spanische oder deutsche Zeitschrift redigieren, denn, wie gesagt, ist er, was man ein Universalgenie nennt. Reden Sie einmal mit ihm, seine erste Antwort wird Sie von allem dem überzeugen. Sprechen Sie deutsch?« –
    «Nein!« –
    »Schade! Er spricht deutsch wie ein viereckiges Haupt von Geburt. Er hat diese Sprache zuletzt getrieben, und weil er alsdann auf den Geist, die Nationalität und Sitten eines jeden Volkes mit Leib und Seele eingeht, ist er jetzt ganz Deutscher. Hat er nicht heut bei Tisch gegessen und getrunken wie ein Deutscher? Und sehen Sie, die großen feurigen Becher, die manchen von uns umwarfen, haben ihn nicht einmal lustig gemacht.«
    »Meine Herren!« begann der Notar laut zu aller Gesellschaft, »den Zweck unserer Zusammenkunft haben wir heute fast noch gar nicht berührt. Erlauben Sie mir zuvorderst. Ihnen den Chef unserer Unternehmung, den Redakteur des Journals, an dem die meisten von uns tätigen Anteil nehmen, in der Person des Herrn von Valenti vorzustellen, dem Enkel des griechischen Kaisers Valentinus, Erbauers von Valentin und Valence.«
    Raphael aber fühlte sich bei diesen Worten, so wenig ihnen auch eine Empfindung zugrunde lag, von plötzlicher Begeisterung erfaßt. Das Bewußtsein seiner neuen Tätigkeit kam über ihn, und er sprach mit geröteten Wangen: »Meine Herren, schenken Sie mir Gehör für einige Augenblicke! Zwar ist der Ort und die Umgebung für ernste Reden nicht geeignet, ich aber habe etwas Niegesagtes zu sagen, was lange schon meine Brust bedrängt und quält, das auszusprechen finde ich hier Gelegenheit und ergreife sie bei dem Stirnhaar. Hinweg mit Freuden, hinweg mit Sinnenrausch! der einen Mann von Geist nur reizt, so lange er ihn nicht kennt, so lange er mit Neulingsfurcht und Gewissensangst noch zu kämpfen hat. Was ich zu sagen habe, fesselt den Geist mehr als irgendein Kitzel, und es ist meine Pflicht, über meine Gesinnungen mich zu rechtfertigen und darzulegen: ob ich das Vertrauen verdiene, das man zu mir zu hegen scheint.« –
    Diese Worte waren von seltsamer Wirkung, die Männer horchten auf, die Damen, aufs innigste verletzt, zogen böse Gesichter, und nach einigem Schweigen kicherten oder lachten sie laut, indem sie behaupteten: dergleichen Effronterien noch nie erlebt zu haben. Sie konnten nur dadurch beruhigt werden, daß ihre Anbeter ihnen versicherten, der tolle Sonderling würde es sicher noch viel bunter und lächerlicher treiben, und man müsse ihn nicht hindern, seinen ganzen auffälligen Wahnsinn darzulegen.
    Nach einem ruhig verächtlichen Blick auf die Weiber fuhr Raphael fort:
    »Nichts in der Welt kann mich bewegen, wider meine Ansichten zu handeln, und was ich meine Ansichten nenne, ist meine Überzeugung. Ich erkenne das Interesse, in welchem ich das Blatt redigieren soll, für das Interesse von ganz Frankreich an und bin entschlossen, Wahrheit zu sagen, Wahrheit, die Frankreich noch nie gehört, deren es ungewohnt sein und die es für Lästerungen halten wird, aber in diesen Lästerungen, so helfe mir Gott, spricht sich ein reiner, echter Patriotismus aus.«
    »Bravissimo!« rief der Notar, um die Gesellschaft wieder günstig für den Redner zu stimmen. «Frankreich zu lästern und zu schelten, ist neu. Ein lästernder Patriotismus ist noch nicht dagewesen, er wird Glück machen!«
    «Ja!« nahm Raphael das Wort, «alle Blätter bemühen sich, die Nation um ihre Julitage hochzupreisen, und wir selbst finden ein Gefallen daran, uns zu schmeicheln und unser eignes Lob über ganz Europa auszutrompeten. Selbstlob ist unwürdig, ja schimpflich! Jedwede Größe ist schweigend und bewußt. Laßt uns groß sein! Es ist nicht zum ersten Male, in diesem Jahrhundert sogar, daß ganz Europa von unserm Ruhme widerhallt. Blicken wir auf unsere Kaiserzeit! Das Heldentum ist uns eigentümlich, der Ruhm eine legitime Eigenschaft Frankreichs. Haben wir uns nur dreier großer Tage in unserer Geschichte zu rühmen?

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