Lebensbilder I (German Edition)
kränkte.
Er streckte die Arme aus und rief wie ein Beschwörer: »Ei, so lacht, bis euch der Atem vergeht! Ich will es so!« Und das Lachen hielt eine gute Weile an, ohne daß irgend wer noch ahnte, woher er lachte. Da aber merkte eine Dame, welche garstige Linien das Lachen im Angesicht ihrer Nachbarin zog und deutete mit dem Finger auf sie hin. Diese, welche dieselbe Bemerkung über jene Lacherin machte, antwortete mit gleicher Gebärde. Eine drille machte die Gruppe auf eine ähnliche eigentümliche Art vollständig, eine vierte, fünfte, sechste und zuletzt die übrigen lachten eine über alle. Die Herren aber waren in die weichen rings umher laufenden Kissen gesunken und hielten sich die Bäuche; von ihrem konvulsivischen Gelächter schien das ganze Zimmer zu beben. Der kleine, dicke Notar schrie endlich: »Ich muß platzen, ich muß platzen!« und mühte sich ab, seinem Lachen zum Trotze das Zimmer zu verlassen. Draußen empfingen ihn die Diener, die, erschrocken über das furchtbare Geräusch im Saale, herbeigeeilt waren. Kraftlos sank er in ihre Arme und sein Gelächter widerhallte fürchterlich in der Wölbung des Peristils, wie das Gebrüll eines wilden Tieres. Im Saale indessen schien die Lachlust immer noch heftiger zu werden, je mehr man jetzt angefangen hatte, sich dawider zu sträuben. Die Damen fielen einander zu Füßen und flehten und beschworen sich, mit Lachen innezuhalten; denn jede glaubte, nur vom allgemeinen Lachen angesteckt zu sein. Tausend Flüche erhoben sich wider Raphael, der immer so ernsthaft in die allgemeine Qual hineinschaute, daß man nur noch heftiger lachen mußte, wenn man ihn ansah; die Männer krümmten sich auf ihren Sitzen und beklagten laut ihre Unmäßigkeit im Essen und Trinken, und schon waren vom Lachen nur noch die Mienen da, und das Gekreisch war das der Angst und Verzweiflung, als Emil und Aquilina endlich, welche Raphael in seine Beschwörung nicht mitbegriffen hatte, obschon sie anfangs mit eben so herzlichem Lachen in den lustigen Auftritt einstimmten, diesen zu besänftigen vermochten, daß er der Gequälten schone und seine Wundermacht nicht an Wehrlosen ausübe.
»Ich ergebe mich,« sprach Raphael endlich, von diesen Bitten gerührt. »Jetzt wißt ihr, daß ich mich keiner Kräfte rühme, die ich nicht besitze.« Augenblicklich erfolgte Stille, die nur von den tiefen Atemzügen und dem Röcheln der erschöpften Lungen unterbrochen wurde.
»Dennoch,« fuhr Raphael fort, »welche Beruhigung ist es mir, euch von meiner Macht überführt zu haben? Warum überhaupt legte ich euch meine Pläne dar? Ihr könnt diese eben so wenig verstehen, als jene würdigen! – Schlaft alle ein!« fügte er unwillig hinzu, indem er von neuem die Arme beschwörend ausbreitete. »Ich kann eure Gegenwart nur ertragen, wenn ihr schlaft, oder vielmehr: Ich will allein sein mit meiner Macht und meinen Gedanken!« – Auf der Stelle fielen allen Anwesenden, bis auf Emil und Aquilina, die Augen zu, von neuem sanken sie in die Polster zurück, und ihre starken Atemzüge verkündeten einen festen und tiefen Schlaf.
Noch einmal winkte Raphael, und aus dem Boden schossen Stämme und Stauden hervor, die, sich anmutig verschlingend, über die Häupter der drei Wachenden eine Laube bildeten. Dort gossen Granat- und Orangenblüten ihre Kelche von Wohlgerüchen über sie aus, hier schlängelte sich eine Rebe mit großen dunkelblauen Trauben an einem Stock von weißen Rosen empor. Dazwischen wankten Pyramiden von Glockenblumen, und alles änderte die Farben: die weißen Rosen fingen an zu glühen wie Rubin, die Trauben glichen ganz Perlen von unschätzbarer Größe. Am Boden aber wucherten allerlei saftreiche und üppige Pflanzen, deren breite Blätter und große, prächtige, bunte Blumen die Schläfer ganz und gar bedeckten.
»Träume ich?« fragte Emil, der diese Wunder mit zweifelhaften Blicken anstaunte. –
»Kehre dich nicht an dieses Blendwerk!« sprach Raphael mit vornehmer Freundlichkeit, »du siehst, meine Macht ist mehr als Traum. Emil! Ich halte dich für besser und klüger als irgendeinen meiner Bekannten, darum sollst du das Geburtsfest meiner neuen Macht und Herrlichkeit feierlich mit mir begehen. O Teuerster! Ich bin sehr glücklich! Ein Selbstgefühl wehet in dieser Brust, das in eigner Macht und Freiheit, in selbstbewußter Seligkeit schwelgt. Ich habe nie geglaubt, daß man auf Erden sich so göttlich fühlen könnte; ich muß, muß einen Freund haben, der
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