Lebensbilder II (German Edition)
ihren dahin. Die Flamme verzehrte ein versiegeltes Paket, dessen Aufschrift, an mich lautend, noch zu lesen war. Sie mußte es kurz zuvor gefunden haben, als es mir gelang, die Tür zu erbrechen.
›Um Gotteswillen!‹ rief ich, ›Gnädige Frau! was tun Sie? Sie vernichten Ihr Vermögen und das Ihrer Kinder.‹ Ich stürzte nach dem Kamin, riß das an allen vier Ecken glimmende Paket aus den Flammen, verbrannte mir Hände und Kleider – zu spät! Was ich gerettet, konnte höchstens nutzen, meinen Argwohn zu rechtfertigen. Ich zeigte der Gräfin, daß sie die Reversalien des Scheinkaufs verbrannt nebst dem Testament, welches keine Rechtskraft gehabt haben würde, weil es nicht gerichtlich war. Die Gräfin stand versteinert. –
In diesem Augenblick trat Trockenschling mit Gerichtsdienern ein. Hastig verbarg ich die halbverbrannten Papiere in der Brusttasche. Als er die Unordnung des Zimmers, die erbrochenen Kisten und Kasten gewahrte, verfärbte er sich. ›Diebe! Betrüger!‹ rief er, ›dies Haus ist mein mit allem, was darin ist. Der Graf ist mir 800 000 Franken schuldig!‹
Die Gräfin wollte reden. Ein bedeutender Blick von mir verwies sie zum Stillschweigen.
›Mäßigen Sie sich, Herr Trockenschling,‹ sprach ich, ›es existieren die Papiere, daß Sie die 800000 Franken nie gezahlt haben.‹
›Setzen Sie der Gräfin doch solche Dinge nicht in den Kopf. Mein ist der ganze Nachlaß des Grafen, und ich bitte Sie, dies Haus zu räumen, ehe ich gezwungen bin, Gewalt zu gebrauchen.‹
›Wollen Sie mich in meinen Augen zum Betrüger stempeln? – Oh!‹ fügte ich mit mehr Erbitterung hinzu, als einem Rechtsgelehrten ziemte, – ›Ihr Spiel ist gefährllcher als Sie denken.‹
Die Gräfin begann wieder mit Tränen der Verzweiflung: ›Barmherziger Himmel, rechne mir nicht zu, was ich tat. Ich bin ein unvernünftiges Weib, eine Mutter, die ihrer Kinder halber zur Verbrecherin ward. Dieser lachende, bleichsüchtige Teufel hat mich vermocht, meinen Gatten totzuquälen, das Vermögen meiner Kinder zu vernichten! Wenn du Witwen und Waisen schützest, laß diesen schändlichen Anschlag nicht gelingen!‹
›Um Gotteswillen, schweigen Sie,‹ unterbrach ich die Gräfin; ich fürchtete nämlich, daß sie dem Wucherer das Schicksal der Papiere verriete, und es lag mir alles daran, ihn darüber in Unwissenheit zu lassen, um ihn auf diese Weise in seinem betrügerischen Vorhaben irre zu machen.
Trockenschling versetzte: ›Schöne Frau! Ich habe Nachsicht mit Ihrer Lage, die allerdings traurig ist, und vergebe Ihnen von Herzen gern die Beleidigung.‹
›Frau Gräfin,‹ hob ich an, ›Gott wird Ihr Gebet erhören. Sie und Ihre betrogenen, verwaisten Kinder stehen unter meinem Schutze. Denn so wahr ich ein Rechtsgelehrter bin, hoffe ich, zum großen Nachteil Ihres Räubers den Raub ihm zu entreißen. – Von einer Pfändung, Herr Trockenschling, zu der Sie alle Anstalten gemacht haben, kann nicht die Rede sein. Die Gräfin muß ihr Eigentum erst völlig von dem ihres Gemahls trennen.‹
›So müssen wenigstens die Zimmer versiegelt werden,‹ rief jener.
›Das kann geschehen,‹ versetzte ich.
Nachdem alle Zimmer mit dem Siegel des Gerichts belegt waren, verließ ich das Hotel. Ein Diener eilte mir nach und gestand mir, Trockenschling habe ihn bestochen, ihn täglich vom Befinden des Grafen sowie von allem, was im Hause geschehe, zu benachrichtigen, vor allem aber es ihm anzuzeigen, wenn der Graf sich seinem Ende nahe.
Er hatte also darauf gerechnet, daß bei dem Zwiespalt, den er zwischen beiden Eheleuten angestiftet, der Graf sterben würde, ohne seiner Gattin die Reversalien einzuhändigen. Er selber wollte dann den ersten Schreck und die Verwirrung benutzen, sich in den Besitz des ganzen Hauses versetzen, um der Papiere sich zu bemächtigen und sie zu vernichten. Dies wäre auch geschehen, hätte die Gräfin nicht ihres Mannes Zwiegespräch mit Ernst belauscht und hätte das verständige Kind mich nicht zur rechten Zeit herbeigerufen.
Dieses alles habe ich Ihnen in der Zeitfolge, wie es geschah, erzählt. Ich erfuhr den Zusammenhang erst nach und nach im Laufe des Prozesses.
Jetzt bleibt mir nicht viel mehr zu sagen übrig. Der Prozeß wurde eingeleitet. Mein Zeugnis, die Aussage der Gräfin und des Dieners wurden auf eine Weise abgelegt, daß der ärgste Schein sogleich gegen Trockenschling sprach; sein erster Sachwalter trat zurück und wollte mit einer so unsaubern Angelegenheit nichts zu
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