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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Betrug anwendbar gegen Betrüger: um indessen von meinem Mittel sagen zu können: probatum est, mußte ich Trockenschling aufs äußerste bringen, das heißt, ihn sich festschwören lassen. Tamen fiat iustitia. Ich erbitte mir meine Strafe, und hätte ich selbst meine Praxis hier verwirkt, so würde ich jetzt nach London gehen, wo mir dieses Prozesses halber schon ein bedeutender Ruf vorangehen wird.‹ Ein lautes Bravorufen und Händeklatschen erscholl von seilen der Zuhörer.«
    »Ich habe von diesem außerordentlichen Prozesse schon gehört,« begann der Vicomte von Gondreville, »und freue mich, jetzt vollständig darüber unterrichtet zu sein.« –
    »Ich war diesen Morgen bei Trockenschling,« fuhr der Rechtsgelehrte fort. »Der Prozeß wird ihm das Leben kosten. – Er befand sich heut im Hotel Rue de Helder und hatte Wache bei sich auf dem Zimmer. Bleich und krank empfing er mich nicht, wie ich erwartet hatte, mit Vorwürfen, sondern voll Leid und Wehmut.
    ›Ich hätte nicht von dir erwartet, mein Sohn,‹ sprach er sanft, ›vor allem damals nicht, als ich dir bare 70000 Franken gab, – daß du ein Nagel zu meinem Sarge sein würdest. – Man droht mir mit lebenslänglicher Galeere. Es wird so weit nicht kommen, der barmherzige Tod wird mich früher ablösen.‹
    ›Beruhigt Euch, Vater Trockenschling,‹ sprach ich. ›Man wird so hart mit Euch nicht verfahren, Ihr werdet eine ansehnliche Geldstrafe erlegen, und man schlägt die Untersuchung nieder.‹
    ›Geldstrafe! Geldstrafe! das ist das empfindlichste. Wer mir mein Geld nimmt, nimmt mir mein Leben! Der ist mein Mörder! – Hast du nicht von einem Geizhals Pater Hellas gehört, dem man die Seele begrub? – Das Geld ist meine Seele! Was ist nun die Unsterblichkeit, wenn ich mein wohlerworbenes Eigentum nicht mit hinübernehmen kann? Wie habe ich mich in der Zeitlichkeit schon gelangweilt, wenn ich keine Geldgeschäfte machte, – und gar die Ewigkeit, die endlose Ewigkeit! Ich mag nicht unsterblich sein. Sieh her, mein Sohn, diese Kiste voll Gold. – O wunderbares Metall!‹ fuhr er fort. ›Schau! mein Sohn, das ist die Allmacht. Alles ist für Gold feil. Ganz Paris ist für Gold erbaut, alle Häuser und alles, was darin ist. Es gibt kein Ding auf Erden, dessen Wert nicht dieses Metall ermißt. Selbst Künste und Wissenschaften wählen diesen Maßstab. Hier hast du Gesundheit, Freude, Wohlleben, was du willst. Dies Metall beherrscht sogar die freie Willkür des Menschen und fesselt den Knecht, die Magd an den Befehl des Herrn, den Bauer an seinen Edelmann, den Bürger an seine Obrigkeit, die Obrigkeit an den König.‹
    ›Und die herrlichste Kraft des Metalls,‹ unterbrach ich ihn, ›ist sicher die, daß man damit Glück verbreiten kann. Oh, wie viele Liebe und Dankbarkeit, welche aufrichtige Ergebenheit und Zuneigung läßt sich durch solche Reichtümer erwerben, wenn man sie zum Wohltun anwendet!‹
    ›Ach! du verstehst mich nicht. – Liebe gibt es nicht! Man heuchelt dergleichen nur den Reichen vor. – Dankbarkeit? – gib den Bettlern auf den Boulevards ein Almosen, sind sie dankbar? Mein Sohn, dies alles ist nur des Gelderwerbes halber erfunden, denn Gelderwerb ist das menschliche Streben. – Aber hör', mein Sohn! will nicht der junge Graf Restaud die Tochter der Grandlieu heiraten? – Sie hat ein hübsches Vermögen und er die Grafschaft dazu. Es kommt viel Geld auf diese Weise zusammen. – Ich hinterlasse nicht Weib noch Kind noch Freund noch Anverwandte und nichts als dies mein Geld. – Dafür will und muß ich sorgen. Der junge Graf soll mich beerben, soll alles erben, was die vermaledeiten Gerichte mir übriglassen!‹
    ›In der Tat! das wolltet Ihr, Vater Trockenschling?‹ rief ich. – ›Ihr seid demnach ein edler Mann! denn Ihr macht Euer Vergehen wieder gut.‹
    ›Bleib mir mit deiner ekelhaften Liebe vom Halse. Ich bin gut, nicht wahr? weil ich Geld gebe. Ich gebe es, weil ich's nicht mitnehmen kann. – Aber unter der Bedingung vermache ich ihm mein Vermögen, daß die Grafschaft ein Majorat werde: samt dem Vermögen der Vicomtesse und dem meinigen bleibt auf diese Weise ein artiger Reichtum beisammen. – Sorge dafür, mein Sohn, daß dies alles so veranstaltet werde – alsdann will ich mein Testament machen! – So will ich nun für euch sorgen, ihr lieben, blanken Tälerchen!‹ rief er, indem er mit Tränen sich über die Goldkiste beugte.«
    »Nun gnädigste Frau!« wandte sich der Erzähler wiederum zur

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