Lebensbilder II (German Edition)
Vicomtesse, »haben Sie noch Gründe, der Neigung Ihrer Tochter zuwider zu sein?«
»Wenn es wird, wie Sie sagen, gebe ich von Herzen gern meine Einwilligung.«
Die schöne Camilla fiel ihrer Mutter weinend um den Hals, dann, ihre Tränen trocknend, reichte sie dem Rechtsgelehrten ihre Hand. Dieser sprach:
»Sie haben Ursache, meine Liebe, dem Himmel dankbar zu sein, denn das Ende aller Verbrechen, aller Bosheit, die bis hierher geübt wurde, ist Ihr Glück.«
Camilla weinte von neuem.
»Habe ich's Ihnen nicht gesagt,« fuhr der Rechtsgelehrte fort, »daß wir heut noch die besten Freunde werden, und daß gar manches Mädchen wünschen wird: ach! daß auch mir jemand solch eine artige Geschichte erzähle?«
Drittes Bild
Der Ball im Freien
Der Graf de Fontaine, einer der eifrigsten Verfechter der Bourbonen, war den Proskriptionen und den mörderischen Gefahren des blutigen Vendéekrieges glücklich entkommen. Er rühmte sich, für seinen König das Leben gelassen zu haben, denn am heißen Tage bei Quatre-Chemin ließ man ihn unter den Toten. Der größte Teil seiner Güter war konfisziert, dennoch weigerte er sich standhaft, einen einträglichen Posten von Napoleon anzunehmen. Er zog sich aufs Land zurück und vermählte sich mit einem armen Fräulein aus einem der besten Häuser des Landadels, obschon ihm von den reichen Emporkömmlingen der Revolution vorteilhafte Anträge gemacht wurden.
Zur Zeit der Restauration war er Vater einer zahlreichen Familie. Mehr um den Bitten seiner Gattin nachzugeben, als um sich um die Gunst seines Königs zu bewerben, zog er nach Paris. Seine mäßigen Einkünfte reichten indes kaum hin, sich dort zu erhalten, und schon war er im Begriff, auf seine Güter heimzukehren, als er ein ministerielles Schreiben erhielt, welches ihn zum Feldmarschall ernannte und kraft der Verordnung ihm, als Offizier der katholischen Armee, erlaubte, die ersten zwanzig Jahre der Regierung Ludwigs XVIII. als Dienstjahre anzusehen. Ohne weitere Nachsuchung empfing er auch das Ludwigskreuz und den Orden der Ehrenlegion und glaubte, diese hohen Gnadenbezeigungen dem Könige selbst, der seiner gedacht habe, zu verdanken. Er bat um eine Audienz, die ihm bald gestattet wurde.
Er betrat die königlichen Säle, die mit weißgepuderten Köpfen so angefüllt waren, daß sie, von der Decke aus gesehen, wie mit einem Schneeteppiche belegt erschienen wären. Er traf viele alte Kameraden, die ihn herzlich begrüßten. Monsieur, der ihn sah und erkannte, drückte seine Hand und nannte ihn den treuesten Vendéer. Niemand indessen erkundigte sich nach seinen Verlusten und den Geldern, welche er in die Kriegskasse der katholischen Armeen hatte fließen lassen, und es entging ihm nicht, daß er den Krieg wohl auf eigne Kosten geführt.
Gegen das Ende der Soirée wagte er eine witzige Anspielung auf seine Lage. Der König, den alles Geistreiche ansprach, lachte herzlich darüber, antwortete aber in einer Art von königlicher Laune, deren Milde gefährlicher ist als ein zorniger Vorwurf.
Ein Vertrauter des Königs machte ihn aufmerksam, daß die Zeit der Abrechnung noch nicht gekommen und viel wichtigere Dinge zu ordnen wären. Der Graf verließ die königlichen Säle nicht ohne Gefahr, mit dem Degen einige der mit seidenen Strümpfen gezierten Schenkel hart zu berühren, gelangte zu Fuß durch den Hof der Tuilerien zu seinem bescheidenen Fiaker auf dem Kai, stieg mißvergnügt ein und beschwerte sich mit lauter Stimme über die nunmehrige Umwandlung des Hofes:
»Ehemals konnte jeder Edelmann zum Könige von seinen Privatangelegenheiten reden, durfte sich Gnaden und Geld erbitten: heutzutage kann man, ohne Anstoß zu geben, nicht einmal seine Auslagen zurückfordern. Mein Feldmarschalltum samt meinem Ludwigskreuz sind keine 600000 Franken wert, die ich mindestens der Sache meines Königs geopfert. Ich will ihn selbst sprechen, und zwar allein in seinem Kabinett.«
Doch sein Gesuch um eine Privataudienz blieb unbeantwortet. Man übergab zu seinem Verdrusse sogar Chargen, die den ältesten Häusern der königlichen Monarchie seiner Meinung nach ziemten, Emporkömmlingen des Kaisertums.
»Es ist alles aus!« rief der Graf eines Morgens, »der König selbst, glaub' ich, ist ein Revolutionär, und ohne Monsieur, der seine alten, treuen Diener wenigstens kennt und tröstet, weiß ich nicht, was aus dem französischen Thron werden soll.«
Er war schon im Begriff, alle seine Ansprüche auf Entschädigung aufzugeben und
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