Lebensbilder II (German Edition)
den lieben, edlen Mann. Er weiß, wie Sie von ihm denken; Sie sind, wie er mir sagte, zu gutherzig, um sein strenges Verfahren gegen leichtsinnige Verschwender zu billigen. Er hilft dafür manchem wackeren Mann. War er nicht Ihr Wohltäter?‹
›Um 50%, o ja!‹
›Von mir nimmt er keinen Heller für das Geschäft.‹
›Um so gefährlicher! Er muß seinen Vorteil haben, wenn ich ihm trauen soll.‹
›Es soll geschehen, wenn Sie wollen, und er sich nicht beleidigt findet, übrigens bin ich ihm mein Vertrauen schuldig, er durchschaute meine traurigen Verhältnisse beim ersten Blicke, er erfand diese heilsame List. Ich erspare mir das Erröten vor einem dritten, wenn ich Sie beide in meinen Plan ziehe, von einem minder redlichen Manne hätte ich obendrein zu befürchten, daß er alles der Gräfin entdeckte, die es ihm lohnen, mich aber totquälen wird.‹
›Ich werde ihm auf die Finger sehen.‹
›Er hat Sie als Inhaber der Reversalien vorgeschlagen.‹
›Das ist gut, denn er ist reich und sicher, und habe ich nur Reversalien, so ist nichts zu fürchten.‹
›Wann kann ich Sie deshalb sprechen?‹
›Wann Sie wünschen.‹
›Ich werde zu Ihnen kommen, wo ich aber zu matt und krank werden sollte, sende ich nach Ihnen.‹
Er erhob sich von seinem Sessel und wankte, – ich eilte ihm zu Hilfe, er fiel in meine Arme. ›Lassen Sie nur,‹ sprach er tonlos, ›es geht schon vorüber.‹ – Ich geleitete ihn zu seinem Wagen und half ihm einsteigen. –
Der Scheinkauf mit Trockenschllng war zustande gebracht, aber um die Gräfin nichts merken zu lassen, sollte ich erst am andern Tage gerufen werden, um die Reversalien in Empfang zu nehmen.
Der schlaue Geizhals indessen hatte es zu hintertreiben gewußt: mit seinen Papieren in der Tasche war er zur Gräfin gegangen und hatte ihr gesagt: ›Schöne, gnädige Frau! Sie sind eine alte Kundschaft von mir, und ich habe Proben, daß ich meinen Profit finde, wenn Sie Vermögen und Kredit haben. Hören Sie also. Ich weiß, es wird Sie nicht erschrecken, wenn ich Ihnen sage. Ihr Gemahl liegt auf dem Sterbebette, und er ist willens, sein Testament zu machen. Sie werden leicht einsehen, wieviel vorteilhafter es für Sie ist, wenn er ab intestato stirbt, weil sie alsdann das Vermögen in Händen behalten. Übrigens kann ich Ihnen soviel versichern, daß der Herr Graf aus kränklicher Laune und mürrischer Grillenhaftigkeit behauptet, daß Sie eine Verschwenderin und die jüngeren Kinder nicht die seinigen sind. Hüten Sie sich also vor einem Testamente, er könnte Sie samt Ihren Kindern enterben. Sie werden das alles selbst erfahren, wenn Sie seine Äußerungen auf dem Krankenbette belauschen. Sie sind Frau im Hause, sollte er nach einem Advokaten oder nach den Gerichten verlangen, lassen Sie niemand zu ihm. Leben Sie wohl.‹
Die Worte des Wucherers fruchteten nur allzuwohl. Die Liebe der Gräfin zu ihren jüngeren Kindern, die Besorgnis vor ihrer eigenen Zukunft machten sie zu allem fähig. Schon als der Graf auf Trockenschlings Rat sich zum Schein in die Freuden und Zerstreuungen der großen Welt gestürzt hatte, war es zwischen beiden Eheleuten zum offenbaren Bruch gekommen. Jetzt, da ihr Gemahl krank und bettlägerig geworden, war sie unumschränkte Gebieterin im Hause und traf ihre Maßregeln nur allzugut. Sie verließ das Haus nicht mehr, saß den ganzen Tag in einem Zimmer, welches durch eine leichte Wand von der Krankenstube getrennt war, und in welchem sie jedes Wort und jede Bewegung des Sterbenden belauschen konnte. Nachts schlief sie in demselben Zimmer auf einem Feldbette, das Abend für Abend dicht an die Wand bereitet und morgens wieder weggetragen werden mußte. Niemand als der Arzt und ein Kammerdiener, Joseph, durften um den Kranken sein, beide waren zum Vorteil der Gräfin gestimmt; ersteren, vermutlich ihrer Anbeter einen, hatte sie durch Tränen, durch Zeichen des Kummers und des Vertrauens, welche bei einer schönen Frau um so verführerischer sind, ganz auf ihre Seite gebracht, den letzteren hatte sie durch Geld gewonnen.
Mir blieb indessen dies alles ein Geheimnis, und weil mehrere Wochen bereits verstrichen waren, ohne daß der Graf zu mir schickte, suchte ich Trockenschling auf, den ich fragte, wie es mit dem Testament und dem Scheinkauf der Güter des Grafen stände.
Dieser erwiderte: ›Es läßt sich bei dem besten Willen mit dem Grafen nichts anfangen. Er ist ein Schwächling, hat alle Warnungen und guten Ratschläge, die ich ihm
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