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Lebensbilder II (German Edition)

Lebensbilder II (German Edition)

Titel: Lebensbilder II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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gegeben, aus jenem Egoismus der Kränklichkeit vermutlich unterlassen, die Sache also bleibt beim alten, wir müssen ihr den Lauf lassen, denn es ist schlimm, sich zwischen Eheleute mitten inne zu stellen.‹
    Ich konnte dies nach meiner letzten Unterredung mit dem Grafen nicht glauben und beschloß, mich selbst von dem Stand der Angelegenheiten zu unterrichten.
    Ich begab mich nach dem Hotel Rue de Helder, man führte mich zur Gräfin. Ich fand sie in Trauer und Tränen, zu beiden mochte sie wohl Ursache haben; sie spielte die zärtliche Gattin und die sorgliche Krankenpflegerin und schlug mir die Bitte, den Grafen zu sprechen, rund ab.
    ›Gnädigste Frau!‹ versetzte ich, ›nicht Neugier noch sonst ein nichtiger Umstand, sondern die dringendsten Angelegenheiten machen ein Gespräch zwischen mir und dem Grafen notwendig.‹
    ›Können Sie es mir nicht vertrauen, mein Herr?‹ versetzte sie mit einem schmachtenden Blicke, ›meines Gatten und meine Angelegenheiten sind dieselben.‹
    ›Was mich hierher führt, gnädige Frau, betrifft allein den Grafen.‹
    ›Er schläft in diesem Augenblick, bei seinem Erwachen will ich ihn von Ihrem Besuche benachrichtigen. Sie haben wohl die Güte, Ihre Adresse hier zu lassen.‹
    ›Der Graf weiß meine Wohnung‹, versetzte ich und stand auf.
    ›Sehr wohl, mein Herr,‹ entgegnete die Gräfin. ›Der Graf soll von Ihrem gütigen Besuche unterrichtet werden, wie sein Befinden es nur einigermaßen erlaubt.‹ Nach diesen Worten verabschiedete sie mich auf keine besonders freundliche Art, und ich empfahl mich, weil ich nicht weiter in dieser Sache gehen durfte.
    Die ganze Welt lobte das Benehmen der Gräfin gegen ihren Gemahl, hielt ihre Anstalten für zärtliche Aufmerksamkeit gegen den Sterbenden und pries sie als ein gutherziges, gefühlvolles Weib. – Ich dachte nicht anders, als daß beide sich versöhnt hätten und die Ränke, zu denen Trockenschling geraten, unterblieben wären.
    Eines Morgens, da der Graf erwachte, es mochten wohl zwei Monate nach meinem Besuche verstrichen sein, befand sich niemand um ihn als Ernst, sein ältester Sohn.«
    »Ernst?« unterbrach die schöne Camilla den Erzähler.
    «Ja, Ernst!« sprach der Rechtsgelehrte, »und ich erzähle Ihnen die Geschichte des Grafen und der Gräfin Restaud. Hören Sie nur aufmerksam zu, damit Sie die Dame kennen lernen, die Sie – der Verlauf meiner Geschichte wird es rechtfertigen, daß ich so sage – die Sie zur Schwiegermutter wünschen.«
    »›Wie geht es dir, lieber Vater, leidest du noch sehr?‹
    Der Graf legte die mageren Finger auf die Brust. ›Bald, mein Sohn,‹ sprach er, ›habe ich ausgelitten, es zieht sich schon alles zum Herzen.‹
    Ernst weinte. Sein Vater gebot ihm, hinauszugehen und Joseph, den Kammerdiener, zu ihm zu senden; dieser kam. ›Joseph!‹ sprach der Kranke mit matter Stimme, ›sieben- oder achtmal bist du bei meinem Advokaten gewesen, warum kommt er nicht? Geh' gleich zu ihm, er muß auf der Stelle zu mir kommen, ich muß ihn sprechen, ehe ich sterbe, wo nicht, stehe ich auf und gehe selbst zu ihm, und sollte es mein Tod sein!‹
    Joseph ging zur Gräfin und fragte, wie er sich zu verhalten habe. Sie befahl ihm, sich zu stellen, als ob er ginge, und bei seiner Rückkehr den Bescheid zu bringen, daß ich eines wichtigen Prozesses halber eine Reise angetreten, von der ich erst nach acht Tagen zurückerwartet würde. Vielleicht dachte sie, der Kranke bilde sich ein, bis dahin noch zu leben, der Arzt aber hatte ihr schon bessere Auskunft gegeben, daß der Graf nämlich den dritten Tag nicht mehr erleben würde.
    Als Joseph mit der falschen Nachricht heimkehrte, ward der Sterbende sehr unruhig. ›Großer Gott! gütiger Gott!‹ hörte ihn die Gräfin im Nebenzimmer rufen, ›jetzt bau ich ganz allein auf dich!‹ –
    Bald darauf kam Ernst wieder zu ihm. Der Vater sah ihn lange schweigend an. Endlich wandte er sich liebkosend mit folgenden Worten zu ihm:
    ›Ernst! du bist zwar noch jung; und wenn dein Geist auch noch nicht reif ist, dein gutes Herz wird leicht begreifen, welch' heilige Pflicht es ist, den letzten Wunsch eines Sterbenden, eines Vaters zu erfüllen.‹ –
    Ernst schluchzte laut.
    ›Mein Sohn!‹ fuhr der Kranke fort, ›du weißt, ich habe dich mehr als alle deine Geschwister gellebt, mehr als deine Mutter selbst dich liebte. – Heut, mein liebes Kind, bist du der einzige, dem ich mich anvertrauen kann, denn alle verraten sie deinen armen, sterbenden Vater.

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