Lebenselixier
schloss ihre Kiefer, bis Lukas ein animalisches Knurren ausstieß und sie
erschrocken zurückzuckte.
„Mach weiter“, grollte er.
„Ich tu dir weh.“
Lukas schnappte nach Luft. „Kleines, fühlt sich das an, als würde mir was weh
tun? Mach schon, beiß mich!“
Tonys Herz setzte einen Schlag lang aus. Ihre intimsten Muskeln reagierten,
indem sie ihn fester umschlossen.
„Bitte, Tony.“ Seine Stimme klang rau an ihrem Ohr. „Du kannst das. Ich kann
fühlen, dass du es willst. Nimm die Ader zwischen die Zähne. Nicht so
vorsichtig. Nimm sie so, dass du sie zwischen den Eckzähnen hast. Mach die
Augen zu. Hör auf zu denken. Es gibt nichts als dich und mich. Und das Blut,
das dich unsterblich machen wird. Es ist alles nur ein paar Millimeter
entfernt. Du musst es dir nur nehmen. Du kannst es dir nehmen. Beiß zu!“
Tonys Kiefer schlossen sich reflexartig. Sie fühlte Lukas unter und in sich
zucken, aber sicher nicht aus Schmerz. Ihre Zähne drückten das Gewebe zusammen.
Sie konnte sich nicht überwinden hineinzubeißen, war noch immer halb überzeugt,
dass es gar nicht möglich war, Haut mit menschlichen Zähnen zu durchdringen.
„Fester! Beiß zu!“Ein vertrauter Geschmack breitete sich auf ihrer Zunge aus, süß und salzig
und würzig zugleich. Sie hatte sich nicht bewusst an den Geschmack von Lukas
Blut erinnert. In dem Moment, in dem das Aroma schwach ihren Mund füllte, kehrte
die Erinnerung zurück, zusammen mit einer Woge dunkler, überwältigender
Begierde. Damals hatte sie sich an Lukas Arm festgeklammert, gierig das wenige
Blut aufgeleckt, das aus den Einstichen in seinem Handgelenk drang. Lukas
Geschmack weckte einen unbeschreiblichen Hunger, eine Gier, die ebenso intensiv
und unausweichlich war wie sein eigener Durst, wenn es ihn nach Blut verlangte.
Tony biss zu, mit aller Kraft, die ihre Kiefermuskeln aufbringen konnten, ohne
dass sie einen bewussten Entschluss gefasst hätte, rein instinktiv.
Lukas
unterdrückte einen Schrei, als seine Haut von den stumpfen Menschenzähnen
durchbrochen wurde. Er fühlte Schmerz, ja, was er Tony gegenüber auf keinen
Fall zugeben würde. Sein Körper, der nur durch wenige Dinge anhaltend geschädigt
werden konnte, verarbeitete Schmerzen anders als seine bislang sterbliche
Geliebte. Sie verstand nicht, dass Schmerz nichts war, was ihn zurückhalten
konnte. Nicht, wenn er gleichzeitig solch wilde, überwältigende Lust empfand.
Er wollte mehr davon.
„Oh ja, Kleines. Jetzt trink!“
Tony brauchte
Lukas Aufforderung nicht. Tatsächlich hätte er sie nur mit roher Gewalt davon
abhalten können, die heiße, würzige Flüssigkeit zu schlucken, die in ihren Mund
floss. Sie spürte Lukas Pulsschlag, tief in ihrem Schoß. Im selben Rhythmus
quoll köstliche Nahrung aus seiner aufgerissenen Ader in ihren Mund. Sie
stöhnte an seinem Hals, während sie trank, denn jeder Zug war euphorisch und
befreiend wie ein Orgasmus.
Die abschreckende Vorstellung, literweise Blut trinken zu müssen, hatte nicht
das Mindeste mit dieser Realität zu tun. Zwar hatte Nora erwähnt, es sei ein
überwältigendes Erlebnis, doch Lukas Mutter hatte nicht einmal versucht, es zu
beschreiben.
Außerhalb von
Zeit und Raum, nur auf Lukas Herzschlag konzentriert, begann Tonys gieriger
Mund härter zu saugen. Der Druck des herausströmenden Blutes ließ nach. Selbst
als sein Herz langsamer schlug, veranlasste sie das nur, noch drängender zu
saugen. Dennoch kam deutlich weniger, floss das Blut spärlicher. Die Lust schlug
in Frust um.
Gierig krallten sich Tonys Finger in Lukas Rücken und Haar, versuchte sie, ihre
Körper noch tiefer ineinander zu pressen.
Plötzlich glitten
Lukas Hände an ihr herab. Sein Körper wurde schlaff, sein Gewicht zog sie mit
sich, seitlich auf das Bett. Erst jetzt meldete ihr Bewusstsein sich weit genug
zurück, um ihren Mund von seinem Hals zu lösen. Verstört streichelte sie seine
Arme und Brust, und sein bleiches Gesicht.
„Lukas? Oh Gott, Lukas!“
Tonys Herz raste in heller Panik. Ihre Hände zitterten. Das konnte nicht sein!
Es war doch völlig ausgeschlossen, dass sie so viel getrunken hatte. Dass ein
Mensch einen Bluttrinker aussaugte, bis dieser ernsthaften Schaden nahm, war
doch sicher unmöglich.
Aber wenn Lukas nun gar nicht gewusst hatte, auf was er sich einließ, weil es
auf diese Art nicht mehr üblich war? Wenn das Adermesser gar nicht als
Erleichterung für die Gefährtin gedacht war, sondern als Sicherheit für den
Bluttrinker? Als Schutz vor der
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