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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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hinauf, sodass sich vor meinem Schritt langsam eine Schneewalze bildete. Trotzdem versuchte ich weiterhin so entspannt zu schauen, als würde ich gerade eine Yogastunde durchleben. Um gar nicht erst den Verdacht aufkeimen zu lassen, es wäre etwas außer Kontrolle geraten, brüllte ich laut: »Macht das Spaß … juchuuu!«
    Währenddessen fror mir meine Zeugungsfähigkeit ab.
    »Jo, Geiloooo«, brüllte Kemal zurück.
    »Suuuuper!«, schrie ich den Berg hinauf.
    Dann war ich oben und fast ein Eunuch.

Mettamorphose
    Als ich am Ende des Skilifts ankam, wartete die Wehrsportgruppe Schmitz bereits auf mich. Ich schob die halben Alpen in meinem Schritt spazieren, und aus der weißen Kugel, die der Lift während der tausend Höhenmeter um mich herum geformt hatte, schaute gerade noch mein ächzender Kopf heraus.
    »Na, Bielendorfer, hast du mal ordentlich durchgefegt, ha, ha?«, lachte Schmitz, während ich mich aus meinem Schneemannkostüm schälte und mich selbstbewusst zu meiner Gruppe stellte. Aus den meisten Gesichtern war der Mut gewichen, Mona Bauerfeind schnaufte wie ein Lastochse, selbst Kemal verschlug es das erste Mal auf dieser Reise die Sprache.
    »Boah, is’ dat hoch«, flüsterte er mit ersterbendem Stimmchen.
    Unter uns lag eine endlose Schneedecke, im Tal konnte man unsere Jugendherberge nur noch in Miniaturgröße ausmachen. Bei dem Anblick wurden uns gemeinschaftlich die Knie weich. Auch wenn Herr Schmitz betonte, dass es sich um die Anfängerpiste handelte, wären die meisten von uns wohl eher mit einem Regenschirm in der Hand aus einer Cessna gesprungen, als hier einen blutenden Abdruck ihres Körpers in eine Fichte zu hämmern.
    »So, der Rene wird euch jetzt mal vormachen, wie man diese Abfahrt nimmt«, sagte Herr Schmitz und zeigte auf Rene Maurer, der in seinem hautengen Skidress vor uns stand und sich bereitmachte. Rene sprang kraftvoll vom Plateau ab und glitt wie ein schwarzer Pfeil den Berg hinab. Hypnotisierend wippte seine Hüfte hin und her, er durchsiebte den frischen Pulverschnee wie eine Gewehrkugel und kam exakt an dem Punkt zum Stehen, wo der Tellerlift uns heraufbefördert hatte. Jetzt winkte uns der Arsch auch noch gewinnend zu.
    Die Fennermann-Zwillinge blickten ausdruckslos in den Abgrund, der Tod war für jemanden, der in meiner Nachbarschaft aufwuchs, wohl keine abschreckende Perspektive mehr.
    Kemal räusperte sich und würde bestimmt gleich ebenso mutig die Abfahrt bewältigen. In der eher dem Patriarchat zugeneigten Kultur des Islam hieß es jetzt männliche Stärke beweisen, den Heldenmut vor den weiblichen Bestandteilen der Wehrsportgruppe zur Schau stellen und mit ebengleicher Grazie den Berg bezwingen … dachte ich zumindest.
    »Geh du …«, knöterte Kemal durch seinen beachtlichen Bartwuchs. Frühe Reife und ein Dasein als Moslem verpflichteten ihn wohl doch nicht zum Mut. Ich beschloss, noch etwas Zeit zu schinden, schaute auf meine Ski, drückte die Schuhe noch mal mit aller Wucht in die Scharniere, zupfte meine Handschuhe zurecht.
    »Ich überprüf nur noch mal die Technik«, stellte ich fest, die Lüge war offensichtlich, ich hatte gar nichts an mir, was dem Wort »Technik« gerecht werden würde.
    »Wenn der Bastian sich nicht traut, mach du’s ihm mal vor, Hanna?«, gellte Schmitz spöttisch, und wie gerufen, schnallte sich Hanna die Skibrille vors Gesicht und schoss den Berg hinunter. Alles an ihr war athletisch, symmetrisch, als hätte der Schöpfer einen guten Tag gehabt. Ich konnte Kemals Augen an Hannas Hintern kleben sehen – ich warf ihm einen scharfen Blick zu, diese Phantasie war für mich reserviert. Kemal schaute mich verstohlen an, er hatte verstanden. Wenige Augenblicke später stand Hanna neben Rene am Skilift im Tal und winkte uns pflichtbewusst zu, wahrscheinlich philosophierte Rene Maurer gerade darüber, was für eine »Pipiabfahrt« das hier war und dass hoffentlich bald gefährlichere Pisten auf uns zukommen würden.
    Mir reichte der Schwierigkeitsgrad dieser Piste gerade aus, um mit meinem Herzschlag wahrscheinlich gerade eine Erdbebenwarnung für die Alpen auszulösen.
    »Solltest du zu schnell oder unsicher werden, lass dich einfach fallen, Bielendorfer, der Pulverschnee bremst dich«, gab mir Herr Schmitz noch mit und schaute mich mit ein wenig Unsicherheit an. War das ein Ratschlag der Marke »sollte das Flugzeug brennen, spring einfach heraus, der Boden bremst dich« oder ernsthafte Sorge?
    Schmitz’ Blick brannte in meinem

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