Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
wahrscheinlich davon, dass man eine Menge Phantasie braucht, um dies noch als Schlafstätte für Menschen zu betrachten. Bettina Mohlheim, von Beruf Tochter eines Großindustriellen, fing bei der Beschau unserer fragwürdigen Herberge engagiert an zu flennen. »Das ist ja schlimmer als Knast«, heulte sie, worauf Dr. Meinzl nur »Nein, wir haben nur Halbpension« einfiel.
Der Rest der Klasse nahm die Unterbringung stoisch hin. »Jugendherbergen sind wie Familiengräber, irgendwann kommen alle mal dahin«, war der einzige Kommentar, zu dem sich Frau Sperber hinreißen ließ.
Unser Herbergsvater Angelo begrüßte uns mit landestypischem Enthusiasmus.
Angelo sah aus wie Super Mario auf Crack und hatte ganz offensichtlich schwer einen sitzen, er küsste Dr. Meinzl auf den Mund und begrapschte Frau Sperber.
Da sich unsere Fahrt etwas verzögert hatte, fuhren wir an diesem Abend nicht mehr in die Innenstadt von Rom, sondern erkundeten die Umgebung unseres Hotels.
Diese bestand aus einer Fabrik für Industrieschmierstoffe, einem Kraftwerk und einer Autobahnauffahrt, an der ein ausgemergelter Anhalter anscheinend schon seit den frühen Neunzigerjahren herumstand.
Am nächsten Morgen erwartete uns ein kontinentales Frühstück. Frau Sperber stellte uns dabei schon mal den Tagesplan vor, der einige kulturelle Höhepunkte beinhaltete.
Ob mit »kontinental« nicht doch eher die Dritte Welt gemeint war, wissen wir nicht. Jedenfalls schmeckte die Auswahl an knochentrockenem Brot und Marmelade aus dem Mayonnaiseeimer eher dürftig, da konnte eigentlich nur ein Konterbier Abhilfe schaffen.
Besim unterhielt uns alle mit ein paar lockeren Sprüchen.
Eigentlich hustete er nur »Hier is’ auch nich’ besser als Guantanamo, alles voller Araber« und schlug dann Oktay in den Nacken.
Wir fuhren mit der »Metropolitana di Roma« ins Stadtzentrum, Dr. Meinzl war von der Rustikalität der römischen U-Bahn überrascht.
Die Metro war ein tiefschwarzes Dreckloch, in dem das letzte Mal zu Zeiten Cäsars feucht durchgewischt worden war.
Matthias und Dennis kamen gleich mit den Einheimischen ins Gespräch.
Matthias verlor sein gesamtes Urlaubsgeld an einen Hütchenspieler. Als Dr. Meinzl dazwischenging, musste der auch noch sein Portemonnaie leeren. Matthias heulte wie ein kleines Mädchen. Dr. Meinzl nicht.
Am Kolosseum angekommen, waren wir alle von diesem Jahrtausendbauwerk tief beeindruckt.
»Gibt’s hier irgendwo ’ne Pommesbude?«, fragte Dennis Wagner, als wir davorstanden. Dr. Meinzl schüttelte genervt den Kopf. »Döner?«, schob Oktay hinterher.
Unser aufgeschlossener Tourguide Silvio erläuterte uns interessante Fakten über das alte Rom und die Gladiatorenkämpfe, die hier stattgefunden hatten.
Silvio glaubte nur, »Deutsch« zu sprechen, stattdessen brabbelte er eine Mischung aus Italienisch und Polnisch.
Silvio erläuterte uns, dass das Kolosseum über 50000 Besucher fassen konnte.
»Arena auf Schalke kann mehr«, sagte Besim nüchtern, alle lachten. Außer Dr. Meinzl und Frau Sperber.
Nach diesem kulturellen Höhepunkt durften wir eine kleine Stärkung in einem Restaurant vor dem Kolosseum einnehmen.
Das Essen war unbezahlbar. Nur Bettina Mohlheim aß Scampi in Knoblauchsoße. Für alle anderen gab es Bier 12 . Zum Nachtisch Korn- Sprite .
Dr. Meinzl fuhr nun schon das achte Mal mit der Schule nach Rom, er bot aufgrund seiner Erfahrungen an, auf einen Stadtführer zu verzichten. Wir nahmen das Angebot gerne an.
Innerhalb weniger Minuten hatten wir uns heillos in den Großstadtschluchten verloren, die Mädchen waren in einem H&M verschwunden, die Jungs durchstöberten einen Souveniershop, der Plastikpenisse mit Gesichtern verkaufte. Dr. Meinzl fing plötzlich an, völlig verschwitzt einen Kompass zu schwenken. Frau Sperber winkte ab und ging hinter den Mädchen her zu H&M .
Als wir letztlich am Trevi-Brunnen ankamen, ermunterte uns Dr. Meinzl, ein paar Fotos zu schießen, und gab uns eine halbe Stunde zur freien Verfügung.
Der Brunnen war geradezu dafür geschaffen, Füße und Bierdosen zu kühlen. Ein tolles Bauwerk, das wir nie vergessen werden, wahrscheinlich auch wegen der Fotos von den sieben freigelegten Schülerhintern vor den Götterstatuen.
Auch sonst bot Rom unvergessliche Fotomotive.
Dennis Wagner wollte nur ein Stück der antiken Stadtmauer fotografieren, übersah dabei aber die Profibeischläferin am Bildrand. Diese verlangte 50 Euro für das Foto und war nur durch den
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