Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)
Maurer neben ihm zischte nur in einer Mischung aus Ungläubigkeit und Spott: »Göki?«
»Aber Mama …«, murrte Gökhan, »klein mit Hut« war schon keine Metapher mehr für dieses Häufchen Elend.
»Nix Mama, du bringst das sofort wieder an, sonst kannste vergessen, dass ich nächste Woche mit dir in den Zirkus Roncalli gehe, der Einzige, der dann Zirkus hat, ist dein Arsch, Freundchen!«
Wortlos schraubte Gökhan den Nothammer wieder in die Halterung, seine Mutter setzte sich auf den letzten freien Platz und begann, auf ihrem Handy herumzutippen.
Ich lockerte das Band meiner Kapuze und schlüpfte mit meinem Kopf in die Freiheit.
»Nette Pfrau!«, sagte meine Mutter.
Ein Klassenfahrtbericht
Traditionell geben Schüler am Ende ihrer Schulzeit eine Zeitschrift heraus, in der sie die Erfahrungen der letzten Jahre mehr oder weniger heiter beschreiben. Da die Abiturzeitung aber ja nicht nur von Schülern, sondern auch von deren Eltern und dem Lehrkörper gelesen wird, sind manche Beschreibungen von Schulstunden, den Pädagogen selbst oder auch gemeinsamen Klassenfahrten teilweise doch sehr geschönt. Die Eltern der Klassenfahrer, die ihre Kinder subventioniert und auf die Reise geschickt haben, sollen natürlich nicht unbedingt jedes Detail des Ausflugs und die möglichen Vorfälle genau kennen, deshalb werden die eigentlichen Höhepunkte der Klassenfahrt verschlüsselt wiedergegeben. Vorsicht, liebe Eltern! Hier gibt es einiges zu beachten. Sollten Sie das nächste Mal die Abiturzeitung Ihres Kindes aufschlagen und den fröhlichen Bericht über die Abschlussfahrt lesen, sollten Sie folgende Transkriptionshilfe bereithalten:
Drei schöne Tage in der Ewigen Stadt
Oder: Wie wir Rom überlebten, ohne im Knast zu landen
Unser Deutschlehrer Dr. Meinzl und Oberstudienrätin Frau Sperber warteten bereits am Bus auf uns. Auf Anregung von Dr. Meinzl brachen wir schon am frühen Morgen auf, die Schuluhr zeigte gerade mal 4:30 Uhr an.
Der bekloppte Dr. Meinzl soll zur Fremdenlegion gehen, wenn er um die Uhrzeit geweckt werden will! Kein Mensch steht freiwillig so früh auf, erst recht kein Schüler, das grenzt an fahrlässige Körperverletzung!
Auf uns wartete Rom, die Ewige Stadt, alle waren von unserem Reiseziel begeistert.
Wenn man wie wir aus Gelsenkirchen stammt, ist man aber auch schon begeistert, wenn man ein Parkhaus in Bottrop besichtigen darf.
Unser Busfahrer nannte sich »Horsti« und schien ein sehr offener Mensch zu sein.
Ja, besonders weil bei Horsti immer »Tag der offenen Hose« war und er von Körperhygiene so viel wusste wie der Papst vom Hüftschwung.
Manche von uns waren noch sehr müde, andere dagegen hellwach und konnten sich deshalb bereits für die lange Fahrt stärken. Dr. Meinzl erläuterte uns dabei über das Bordmikro die Reiseroute.
Bier eins des Tages perlte schön und gab Kraft in den Hüften. Dr. Meinzls Geschwafel war so besser zu ertragen.
Die Fahrt ging eigentlich problemlos vonstatten, auch wenn sie etwas länger dauerte, als Dr. Meinzls Routenbeschreibung angegeben hatte.
Stau, Stau, Stau … Dr. Meinzl hatte uns zielsicher in jede Verkehrsstörung zwischen Gelsenkirchen und Italien geführt. Alle Wege führen ja bekanntlich nach Rom, jedenfalls alle außer dem, den sich Dr.-Kein-Ziel für uns ausgesucht hatte! Wäre die Grundversorgung mit Bier nicht gesichert gewesen, wären manche Schüler wahrscheinlich an Skorbut eingegangen. Selbst die Alpenüberquerung Hannibals hat weniger Opfer gefordert als Dr. Meinzls Privatroute des Todes.
Horsti gab sich Mühe, uns mit Stimmungsmusik bei Laune zu halten.
Die »Bestof«-CD der Inzestbarden Die Amigos und eine Sammlung an Wildecker-Herzbuben-CDs hatten manche Schüler innerhalb weniger Stunden in den Wahnsinn getrieben. Manche versuchten sich Radiergummis in die Ohren zu schieben. Horsti war erbarmungslos.
Gut gelaunt kamen wir am frühen Abend in unserer Herberge »La Phantasia« am Stadtrand von Rom an.
Aufgrund der Thrombose konnten manche schon nicht mehr stehen, aber uns war ohnehin mehr nach Liegen. Stadtrand von Rom ist übrigens ein sehr geschönter Begriff für das Industriegebiet, in dem wir uns befanden. Auch das Straßenschild »Roma 42 km« ließ nicht gerade vermuten, dass das Kolosseum fußläufig zu erreichen war.
Die Unterbringung war zweckmäßig.
Ja, aber für Schweine. Und selbst die hätten sich in dem nasskalten Plattenbauverschlag eher unwohl gefühlt. Der Name »La Phantasia« kam
Weitere Kostenlose Bücher