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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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Viaaaa«-Chor mit einstieg.
    So, Völkerverständigung hergestellt, jetzt reichte es aber auch, dachte ich und wollte schon ein wenig hemdsärmelig »Good bye«, sagen, doch dann wandte sich Mai plötzlich von mir ab und schaute Hanna an.
    »Do you want to party?«, fragte er, und ein erneutes Leuchten huschte über sein Gesicht.
    Seine Frage klang ein wenig rhetorisch, so wie es DJ Bobo seinem Publikum zurufen würde.
    »Yeah«, brüllte Hanna laut und ohne zu überlegen, noch bevor ich meinen Kopf wie einen Rührstab hin und her schütteln konnte.
    »Pretty«, sagt unser neuer Tourguide und schaute immer noch Hanna an, während Patrick mir mal wieder seinen Ellenbogen in die Seite rammte. Das wurde langsam zu einer Art freundschaftlichem Morsecode, der aber eigentlich immer das Gleiche bedeutete, nämlich: Scheiße! Hanna schaute Mai aus ihren glasigen Augen begeistert an. Auch wenn er freundlich war, gefiel mir die ganze Sache nicht. Erstens kannten wir den Kerl gar nicht, zweitens war der Kontrast zwischen seinem sportlichen Oberkörper und meinem schmerbäuchigen Pennälerleib so groß, dass ich mich spontan unwohl fühlte.
    »Ey, Hanna, jetzt hör mal auf, wir können da doch nicht einfach mitgehen, wir kennen die doch gar nicht«, ermahnte ich sie fast schon großväterlich und kam mir dabei selten doof vor.
    »Langweiler«, wiederholte Hanna ihre Worte von vorhin, langsam, aber sicher schien ich erheblich in ihrer Gunst zu fallen.
    »Hanna, jetzt echt mal, wir können doch nicht einfach mitgehen, was ist, wenn die Typen was Krummes planen?«, rief Mona als eine weitere Stimme der Zurechnungsfähigkeit.
    »Ja klar, bestimmt sind das Terroristen, die Terroristen tragen ja mittlerweile alle Flipflops«, lachte Hanna, ignorierte jeden Widerspruch und zog sich trotzig ihre Jacke über.
    Mai stand währenddessen weiter mit halb offenem Mund an unserem Tisch und fragte sich wahrscheinlich, worüber wir so lange diskutierten. Dann sagte er nur lächelnd: »Ready?« und zeigte uns wieder sein makelloses Gebiss. Nur Hanna nickte.

Loveboat
    Wir trotteten hinter Mai und Dan her wie eine Reihe Gänseküken, nur Hanna lief selbstbewusst neben unseren neuen Bekannten und machte ein bisschen Konversation auf Englisch. Bei uns kamen nur Gesprächsfetzen wie »niiice« und »awsome!« an, die immer wieder von einem schrillen Kichern unterbrochen wurden. Anscheinend tat ihr das Zeug, das wir geraucht hatten, nicht gut. Die Hanna, die da kreischend vor uns herstöckelte, war nicht die Hanna, die ich über die Jahre angeschmachtet hatte. Aus dem blonden Engel war ein überdrehtes, gackerndes Huhn geworden.
    »Der Alten fehlt doch eine Latte am Zaun«, fasste Patrick neben mir pragmatisch die Situation zusammen, langsam blätterte Schicht um Schicht der goldenen Patina ab, mit der ich Hanna die letzten Jahre täglich neu überzogen hatte. Die Hanna darunter war überdreht und irgendwie unecht, sie passte bedeutend besser zu einem Bilderbuchschönling, wie Mai einer war, als zu mir, Gottes halb fertigem Lehmklumpen.
    Wo wir genau hingingen, hatte Mai nicht gesagt, mittlerweile hatten wir uns auf jeden Fall von der Touristenmeile Amsterdams entfernt, die nächtliche Stadt entspann ein unübersichtliches Geflecht an Straßen, Gassen und Innenhöfen, in denen jeder Ortsunkundige innerhalb weniger Minuten die Übersicht verlor. So auch wir. Mittlerweile hätte ich nicht mehr annähernd sagen können, wie wir ins Hotel Dolores zurückfinden sollten, anscheinend war das aber auch nicht gewünscht. Neben mir atmete Mona Bauerfeind schwer, ihre kleinen Füße tippelten unsicher über das alte Kopfsteinpflaster, sie sackte immer wieder nach links und rechts weg, als müsste sie durch Treibsand waten. In ihrem Gesicht herrschte eine bedrückende Leere, sie war es gewohnt, immer einen Schritt hinter Hanna zu laufen, einen überdimensionalen Schatten zu spielen, der nur kommentierte und in bestimmten Momenten zum Echo ihres Lachens wurde.
    Plötzlich hielten Mai, Dan und Hanna an, Mai breitete die Arme aus und sagte: »Welcome to the Party« und lachte. Hinter ihm konnten wir ein mit Lichterketten verziertes Hausboot sehen, dessen Silhouette sich auf dem nachtschwarzen Wasser spiegelte. An der Kopfseite der MS Loretta , zuckten ein paar Körper zu ätherisch wirkender Musik, durch die kleinen Bugfenster konnte man unzählige Partygäste sehen, am Heck ließ ein Mädchen die Beine über den Schiffsrumpf baumeln und zupfte gedankenverloren an

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