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Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition)

Titel: Lebenslänglich Klassenfahrt: Mehr vom Lehrerkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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dem Tresen stand ein Mann, der aussah, als wäre er gerade durch ein juristisches Schlupfloch aus der Einzelhaft entkommen. Dreadlocks, Gesichtstattoo, ein selbst in der Dunkelheit des Ladens funkelnder Goldzahn. Der Tresenheini war sicher niemand, den man zum Paten seines Erstgeborenen machen würde, wahrscheinlich hätte man ihm nicht mal eine Aldi -Tüte voller Rettiche anvertraut. Von uns vieren war Patrick eindeutig der Einzige, dem man die Volljährigkeit ohne Zweifel abnahm, sein bereits ausdünnendes Haar, die Bartstoppeln und die harten Gesichtszüge gaben ihm die Erscheinung eines Mittzwanzigers, außerdem lief er im Gegensatz zu mir nicht bei jeder kleinen Notlüge hochrot an.
    An der Tafel über dem Tresen waren verschiedene kryptische Namen aufgeführt: »Ganja Ghost«, »Pipers Dream« und »Smokey Robinson« waren die reichlich verniedlichenden Namen für das Pot, das hier verhökert wurde. Anhand der Namen fiel eine Auswahl schwer, besser wäre wohl eine Skala von mild bis würzig gewesen, so wie beim Schärfegrad einer Currywurst. Das hätte dann ungefähr so aussehen können:
    Stärke 1 – Robinsons Dream – ein entspannter Sommerspaziergang am Meer
    Stärke 5 – Pipers Dream – der Mumienwecker, zieht Oma die Stützstrümpfe stramm
    Stärke 10 – Ganja Ghost – schon mal mit Elvis und John Lennon gefrühstückt?
    Auf der rechten Seite des Tresens entdeckte ich eine Tortenplatte, auf der sich eine Pyramide aus Hasch-Muffins formierte. Allerdings hatten wir uns schon im Vorfeld darauf geeinigt, dass wir uns lieber den Rauchwaren widmen wollten, da Rauchen bedeutend cooler aussah als das Verspeisen von Buttergebäck. Die anderen Gäste – oder Konsumenten, wie der Terminus eines Polizeihauptkommissars wohl lauten würde – beobachteten uns skeptisch. Die meisten sahen ein wenig wie Abbildungen aus Antidrogenbroschüren aus: Augenringe, über den Kopf gezogene Kapuzen und aschfahle Haut. Entgegen der weitverbreiteten Behauptung, Coffeeshops wären in Holland eine Anlaufstelle aller gesellschaftlichen Schichten, war der »Buddha Coffee Shop« wohl für die Gescheiterten und Verlorenen reserviert, keine Bankiers, Omis und Familienväter in Sicht.
    »One Ganja Ghost rolled, please«, bestellte Patrick blind und ohne Gruß, die krumme Gestalt hinter dem Tresen nickte nur kurz und bückte sich dann zu einer Schublade herunter. Ich hörte Mona Bauerfeind neben mir schnaufen. Unsere Anspannung lag in der Luft wie ein Büffelfurz.
    Dann lag das weiße Ding plötzlich vor uns, feinstes in OCB-Blättchen gehülltes Haschisch. Wir alle versuchten wohl gleichzeitig den Gedanken zu verdrängen, wie die düstere Gestalt hinterm Tresen das Ding sorgfältig bespeichelt und gedreht hatte, am liebsten hätte ich den Joint erst mal mit einem Feuchttuch und Sagrotan desinfiziert.
    Patrick legte wortlos das Geld auf den Tresen, ein einfacher Vorgang, dennoch fühlte es sich verboten an, als würden wir gerade eine Kiste voller Waffen von einer Terroristenvereinigung abkaufen. Der Tresenheini zählte nach und ließ das Geld in seiner Registrierkasse verschwinden, keine Passkontrolle, keine kritische Nachfrage aufgrund des hakeligen Englischs, nur ein Nicken und eine Wendeltreppe, die ins obere Stockwerk führte. Sie mündete in einen Perlenvorhang mit einem stilechten Südseemotiv, hinter dem sich eine klassische Opiumhöhle verbarg, Wandteppiche, Brokatsitzsäcke und dämmriges Halblicht inklusive. Aus einer kleinen Deckenbox nölte indische Instrumentalmusik durch den Raum, es roch nach Zimt, der in altem Qualm badete. Wir passten hier ungefähr so gut hinein wie ein Braunbär in die Herrensauna, was uns auch die anderen Gäste spüren ließen, die belustigt grinsten, als Patrick und ich unsere Köpfe durch den Vorhang streckten.
    »Souverän bleiben, Coolness vortäuschen«, dachte ich und konnte in Patricks Augen sehen, dass er sich gerade das gleiche Mantra vorsagte. Wir nahmen in einer Ecke auf den Sitzsäcken Platz, die Situation war so voller flirrender Unsicherheit wie bei einem Sprung vom Zehn-Meter-Turm (hatte ich noch nie gemacht) oder wie beim ersten Kuss (hatte ich gemacht, immerhin). Patrick entzündete den Joint und zog inbrünstig amateurhaft daran. Man sah, wie er den Hustenreiz unterdrücken musste, ein Hüsteln, ein Aufstoßen wären jetzt einer Bankrotterklärung unserer aufgesetzten Coolness gleichgekommen. Beim Einatmen zitterten seine Augenlider wie eine elektrische Jalousie, die klemmte.

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