Lebenslänglich
mündete. Es pochte und brannte in ihrer linken Hand, sie hatte den Geruch vom Handschuh des Mannes noch in der Nase, schmeckte noch das Leder.
Sie sind inzwischen weg. Wer immer sie waren, sie sind jetzt nicht mehr da. Also los!
Sie setzte einen Fuß vor den anderen und bewegte sich langsam die Straße hinunter, den Blick fest auf den Torbogen am Eingang der Gasse gerichtet. Die Schatten in der engen Gasse waren dunkler als die schwärzeste Nacht, sie saugten allen Sauerstoff auf, sodass sie nach Luft schnappen musste. Sie schlich hinüber zu Flodins Schaufenster auf der anderen Straßenseite und huschte vorbei, jetzt hatte sie den Torbogen gegenüber passiert und steuerte auf ihr Haus zu, ohne die Yxsmedsgränd aus den Augen zu lassen.
«Annika», sagte jemand und legte eine Hand auf ihre Schulter.
Sie schrie auf und fuhr herum, die rechte Hand zum Schlag erhoben.
«He, sag mal, was ist denn mit dir los?»
Annika starrte die Person an, die aus dem Hauseingang Vasterlanggatan 30 getreten war. Groß, blond, kompakt, mit einem verwunderten, vorwurfsvollen Ausdruck im Gesicht.
«Anne», keuchte Annika. «Was zum Teufel machst du denn hier?»
Anne Snapphane lächelte nervös.
«Ich wollte mit dir reden. Es ist mir wichtig.»
Annika schloss die Augen und fühlte Wut und Ohnmacht wie eine Flutwelle über sich zusammenschlagen, es waren all die früheren Kränkungen, die sich nie hatten Luft machen dürfen.
Sie riss die Augen auf und maß dieses Trampeltier mit ihrem Blick.
«Weißt du was?», sagte sie. «Du gehst mir am Arsch vorbei. Ich scheiß drauf, was dir wichtig ist. Du bist mir so was von egal, egaler geht's gar nicht.»
«Ich verstehe dich», sagte Anne. «Deswegen will ich ja mit dir reden …»
«Hau ab», sagte Annika und wühlte in der Jackentasche nach ihrem Schlüssel.
«Wenn du mir nur die Chance geben würdest, dir zu erklären …»
Etwas in Annikas Kopf zersprang, sie fuhr herum und stieß Anne mit ihrer gesunden rechten Hand weg.
«Fahr zur Hölle!», schrie sie. «Ich hoffe, du verreckst, du verdammte selbstsüchtige Zecke!»
Irgendwie bekam sie die Tür auf, schlüpfte hinein und zog sie hinter sich zu, rannte die Treppen hinauf, ohne Licht zu machen. Vor ihrer Wohnungstür blieb sie stehen und horchte nach unten, durch brüllende Stille und staubige Schatten.
Sie schloss die Wohnungstür auf und ging ins große Zimmer, ohne Licht zu machen, wie sie es immer tat. Sie blieb mitten im Raum stehen und wartete, während das Dröhnen in ihrem Körper langsam abebbte und schließlich verstummte.
Es lag etwas Versöhnliches in der Dunkelheit und der Stille und darin, in etwas Schwarzem und Sanftem anzu kommen. Die Dunkelheit selbst schreckte sie nicht, hatte es nie getan. Im Gegenteil, sie umfing sie und gab ihr die Freiheit, neue Wege auszuprobieren.
Das Klingeln des Telefons zerriss die Stille.
Sie ging zu ihrem ungemachten Matratzenlager und zögerte, aber dann nahm sie das Gespräch doch an.
Es war Thomas.
«Entschuldige, dass ich so spät noch anrufe, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen.»
Nüchtern diesmal und von zu Hause aus.
Sie setzte sich neben das Fenster und blickte in den diffus-dunklen Himmel, der zwischen den Häusern hervorlugte.
«Wieso?»
«Ellen ist krank, deshalb muss ich morgen zu Hause arbeiten, und das ist eigentlich auch kein Problem. Aber die Sache ist die, wir haben morgen Abend was vor, Sofias Mutter hat Geburtstag, und wir haben Karten für die Oper, aber ich kann die Kinder ja nicht allein lassen, und die Babysitterin hat eben gerade abgesagt, weil sie auch krank ist, und du hattest ja gesagt, dass du … Deswegen wollte ich fragen, ob du vielleicht morgen Abend die Kinder nehmen könntest…»
Er hatte alles in einem Atemzug heruntergerasselt.
Er will etwas von mir. Er ist richtig bemüht.
«Was ist mit Ellen?»
«Sie bricht und hat ziemliches Fieber, aber das hat sie ja immer, wenn sie krank ist.»
«Ist es was Ernstes? Warst du beim Arzt?»
«Kein Grund zur Sorge. Aber ich möchte sie nicht gerne durch die Gegend fahren, deshalb wollte ich fragen, ob du vielleicht hierherkommen könntest.»
Ob ich … wohin?
«Zu uns. In die Grev Turegatan. Dann kann sie in ihrem Zimmer bleiben.»
Ihrem Zimmer? Ihr Zimmer ist hier. Mit rosa Bettwäsche!
«Ich finde, sie sollten lieber hierherkommen», sagte Annika.
«Aber dies ist meine Woche, und sie hat Fieber …»
Sofia
Dumme Schlampe
Grenborg geht mir langsam auf die Nerven. Sie will, dass
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