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Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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feuchtkalten Morgen.
    Die Begegnung vom Vorabend regte sie jetzt noch auf. Sie hatte bis spät gearbeitet und war auf dem Heimweg in die Artillerigatan gewesen, wie üblich war sie vor der Nummer 30 stehen geblieben und hatte die Fassade hinaufgeschaut und an Dinge gedacht, die ihr wichtig waren. Sie hatte eine Minute dort gestanden oder vielleicht auch zwei, als sie Annika kommen sah, die sich andauernd umblickte.
    Es war kein gutes Gespräch gewesen, Annika hatte wirklich unglaublich bösartig reagiert, und Anne wollte sich solchen Gemeinheiten nicht mehr länger aussetzen.
    Sie holte tief Luft, nahm ihr Handy und wählte Annikas vertraute Nummer.
    Die Rufsignale gingen hinaus, drei, vier, und dann war sie dran.
    «Hallo, hier ist Anne. Ich möchte gern kurz mit dir reden.» «Warum?»
    Sie klang sehr müde, aber nicht schlaftrunken. «Das gestern Abend ist so falsch gelaufen … Du, ich stehe unten vor deiner Haustür, kann ich nicht raufkommen?»
    «Was willst du hier?»
    «Ich bin kein Stalker, ich teile mir mit ein paar anderen ein Büro am Tyska brinken, weißt du, dieses Haus, wo ich früher mal gewohnt habe …»
    «Aha.»
    Sie war kurz angebunden und abweisend. «Hättest du einen Moment Zeit für mich?»
    «Ich muss gleich weg.» «Um halb acht morgens?» Keine Antwort.
    «Ich stehe hier unten. Du kannst ja einfach vorbeigehen, wenn du willst.» Anne legte auf.
    Es war schrecklich ungemütlich hier draußen. Die Nässe bahnte der Kälte den Weg und jagte sie durch Mark und Bein. Sie trampelte auf der Stelle und rieb die Hände aneinander. Die Dunkelheit hing immer noch tief über den Dächern. Der Verkehrslärm vom Munkbroleden schaffte es nicht, Kälte und Steinmauern zu überwinden. Die mittelalterlichen Straßen lagen seltsam stumm und verlassen da.
    Uahh, hier könnte ich nie wohnen. Ich begreife nicht, wie Annika das aushält.
    Das Licht im Treppenhaus ging an, eine halbe Minute später wurde die Tür aufgestoßen.
    Annika trat auf den Bürgersteig, ihr Mobiltelefon in der Hand.
    Sie war blass, und die Haare waren zerzaust.
    «Was willst du?», fragte sie, ohne Anne anzusehen.
    «Ich möchte mich entschuldigen», sagte Anne. «Ich habe mich idiotisch benommen, und ich hoffe, du kannst mir verzeihen.»
    Annika blickte sie mit ihren riesigen Augen an, diesen offenen, verletzlichen und zutraulichen Augen.
    Sie weiß nicht, dass sie sie hat. Sie weiß nicht, wie verräterisch sie sind.
    Anne hätte am liebsten die Hand ausgestreckt und sie berührt, aber sie ließ es sein.
    Annika mochte das nicht. Es dauerte lange, bis sie irgendeine Form von Körperkontakt zuließ.
    «Du hast mir auf alle erdenkliche Arten geholfen», sagte Anne und merkte, wie angespannt und nervös sie war. «Du hast mir zu einem Job und Kontakten verholfen, du hast mir Geld und Freundschaft gegeben und Kindermädchen gespielt. Du warst immer da, und ich habe dich für selbstverständlich genommen …»
    Sie verstummte und holte Atem und beschloss, ruhig zu bleiben.
    «Du warst so selbstverständlich, und ich habe mich mit dir in einen Topf geworfen. Ich dachte, alles, was dir gehörte, sei auch meins. Wenn ich nicht all das bekam, was du hattest, fand ich das ungerecht.»
    Annika verharrte still und sagte nichts, starrte nur zu Boden. Anne sah, dass sie graue Strähnen bekommen hatte.
    «Ich verstehe ja, dass es falsch war. Jetzt verstehe ich das. Aber damals verstand ich das nicht.»
    Annika blickte die Västerlänggatan hinunter.
    «Ich bin unterwegs zu einem Termin», sagte sie.
    «Ich vermisse dich», sagte Anne. «Du bist für mich einer der wichtigsten Menschen. Es tut mir wahnsinnig leid, wenn ich dich verletzt habe.»
    Annika sah hoch, ein hastiger Blick aus nackten Augen.
    «Ich muss jetzt los», sagte sie.
    Anne nickte.
    Annika ging davon, das Mobiltelefon in der Hand; eine dicke Steppjacke auf zwei mageren Beinen, die in schwarzen Cowboyboots versanken.
    Kommunikation war wirklich nicht Annikas starke Seite.
Na, dann muss ich eben die Kommunikation übernehmen. Sie kann ja nicht in allem die Beste sein.
    Annika ging mit schnellen Schritten zum Kronoberg-Gefängnis.
    Im vergangenen halben Jahr, seit der schrecklichen Brandnacht, in der Anne sie mit den Kindern im Treppenhaus hatte stehenlassen, hatte sie Anne Snapphane aus ihrem Bewusstsein verdrängt. Sie war für sie zu einer Unperson geworden, so einer, die man nicht grüßte. Sie hatte begonnen, Anne zu vergessen.
    Dass sie plötzlich auftauchte und um Entschuldigung

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