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Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich
Autoren: Liza Marklund
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Monat und litt die ganze Zeit unter schrecklicher Übelkeit.
    Kurz vor Mitternacht hatten sie einen Funkspruch über einen Wohnungseinbruch in der Sankt Paulsgatan erhalten, gleich hinter der Götgatan. Es war ein Routineauftrag, ein Nachbar hatte angerufen und sich über Krach und Schreie in der Wohnung unter ihm beschwert. Annika hatte gefragt, ob sie mitfahren dürfe, und es wurde ihr gestattet, unter der Bedingung, dass sie sich völlig im Hintergrund hielt.
    Sie waren die Treppe zum ersten Stock hinaufgegangen, und da lag die verstümmelte Frau. Sie war ins Treppenhaus gekrochen und lebte noch, als die Polizeistreife kam; ihre rechte Hand fehlte, und aus den zerfetzten Adern pumpte das Blut, es floss auf den Steinfußboden und spritzte an die Wände, als sie den Arm bewegte. Julia hatte sich in einer Fensternische erbrochen, während Nina Annika mit unglaublicher Kraft und Umsicht auf die Straße beförderte.
    «Ich habe nicht sehr viel gesehen, aber ich weiß noch genau, wie es im Treppenhaus roch», sagte Annika. «Süßlich und irgendwie … schwer.»
    «Zwei Männer waren in der Wohnung», sagte Berit. «Sie waren auch verstümmelt worden.»
    Annika änderte ihre Meinung und streckte die Hand nach einem Schaumspeckauto aus.
    «Die Morde wurden doch ziemlich schnell aufgeklärt, oder?»
    «Es war Filip Andersson», sagte Berit. «Der Finanzmann. Er wurde verurteilt, obwohl er alles abstritt. Sitzt in Kumla. Lebenslänglich.»
    Berit schüttete die letzten Süßigkeiten in die Hand und warf die leere Tüte in einen Papierkorb.
    «Besser, man ist kein Drogendealer, wenn man sich mit seinen Kumpels überwirft», sagte Annika.
    «Da ging es nicht um irgendwelche kleinen Hinterhofschulden», sagte Berit, «sondern um enorme wirtschaftliche Transaktionen zwischen Spanien, Gibraltar und den Cayman-Inseln.»
    «Wie bescheuert, überall seine Fingerabdrücke zu hinter lassen, wenn man gerade drei Menschen zerstückelt hat», sagte Annika.
    «Der kriminelle Teil der Bevölkerung ist normalerweise nicht von der Intelligenzija», sagte Berit, und als Annika sich nicht rührte, stand sie auf, um Ellen zu helfen, die hin-gefallen war und sich eine Hand aufgeschrammt hatte.
    Annika blieb sitzen. Ihr Körper war schwer wie Zement, sie spürte die Kälte nicht länger. Der Wind zerrte an ihren Haaren, aber sie hatte nicht die Kraft, sich die Strähnen aus dem Gesicht zu streichen.
    «Das Letzte, was ich vorhin in der Redaktion gehört habe, war, dass Julia des Mordes an ihrem Mann verdächtigt wird», sagte Berit, als sie sich wieder hinsetzte.
    «Tatsächlich? Dabei wirkte sie damals so schüchtern.»
    «Der Sohn der beiden ist offenbar auch verschwunden.»
    «Ach, sie hat also einen Jungen bekommen …»
    Sie schwiegen wieder und sahen den Kindern zu, die unter einer großen Eiche am anderen Ende des Spielplatzes offenbar etwas Interessantes gefunden hatten.
    «Du», sagte Berit dann. «Kannst du irgendwo bleiben?»
    Annika antwortete nicht.
    «Deine Mutter?», schlug Berit vor. «Die Eltern von Thomas?»
    Annika zuckte die Schultern.
    «Willst du mit mir raus nach Rosland kommen? Thord ist dieses Wochenende mit seinem Bruder in Dalsland zum Fliegenfischen. Ihr könnt in der Backstube wohnen, wenn du möchtest.»
    «Meinst du das ernst?»
    Vor einigen Jahren hatten Berit und ihr Mann Thord ihr Haus in Täby verkauft und waren auf ein Gestüt zwischen Rimbo und Edsbro gezogen. Annika war ein paarmal dort draußen gewesen, im Sommer war es die pure Idylle mit dem See unten und den Pferden auf der Koppel hinterm Haus.
    «Klar. Das Häuschen wird ja sowieso nicht benutzt.»
    «Wahnsinnig gern», sagte Annika dankbar.
    «Ich muss jetzt zurück in die Redaktion und die Fortsetzung der Terroristenserie schreiben, aber spätestens um acht sollte ich fertig sein. Ich besorge dein Handy aus der Taxizentrale und hole dich anschließend im Hotel ab, wollen wir es so machen?»
    Annika nickte.
    Nina blieb unsicher in der Tür stehen.
    Es waren ungewöhnlich viele Uniformierte in dem engen Pausenraum. Sie standen in kleinen Gruppen und steckten die Köpfe zusammen. Ihre murmelnden Stimmen klangen wie das Summen eines Ventilators, träge und konstant.
    So hört sich Trauer an, dachte sie, ohne zu begreifen, wie sie auf diese Idee kam.
    Es war Viertel nach eins. Ihr Dienst begann erst um 16 Uhr, aber sie hatte nicht schlafen können, nicht schlafen
wollen.
Als sie schließlich doch eindämmerte, waren die Träume so verwirrend und
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