Lebenslänglich
zum Mikrofon. Sie hatte einen blonden Pagenkopf und trug ein knallrotes Kostüm.
«Ich habe heute eine Person vorläufig festnehmen lassen, die unter dem dringenden Tatverdacht steht, den Mord an David Lindholm begangen zu haben.»
Ihre Stimme war kühl und hatte einen Ton von Oberschicht.
Dringender Tatverdacht, die Steigerung von Verdacht.
«Der Antrag auf Überstellung in die Untersuchungshaft wird dem Haftrichter spätestens am Sonntag vorgelegt», fuhr sie fort, ohne den Tonfall zu ändern. «Ich möchte betonen, dass ich als Leiterin der Voruntersuchungen eine breitgefächerte und in alle Richtungen offene Ermittlung führen werde, die sich in keiner Weise an den Augenschein klammert, obwohl wir bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt einen Durchbruch bei unseren Untersuchungen erzielt haben.»
Sie lehnte sich zurück und gab damit zu verstehen, dass es nichts mehr zu sagen gab.
«Ja, vielen Dank», sagte der Pressesprecher und räusperte sich. «Dann übergebe ich das Wort nun dem Kommissar, der die Ermittlungen der Kriminalpolizei leitet.»
Ein großer Polizist mit Dienstmütze auf dem Kopf stellte sich genau vor Nina, sodass sie einen Schritt zur Seite gehen musste, um sehen zu können.
«David Lindholm wurde heute am frühen Morgen erschossen in seiner Wohnung aufgefunden», sagte der Mann in dem bunten Hemd. «Eine am Tatort befindliche Person wurde ins Krankenhaus gebracht und im Laufe des Tages unter dem dringenden Tatverdacht des Mordes vorläufig festgenommen. Die Spurensicherung hat eine Reihe von Indizien sichergestellt, aber ein entscheidendes Fragezeichen ist geblieben, das wir in unseren Ermittlungen zu klären haben werden.»
An der Wand hinter den Leuten auf dem Podium erschien ein Foto, auf dem ein kleines Kind zu sehen war.
«Das hier ist Alexander Lindholm», sagte der Kommissar in dem Hawaiihemd. «Er ist vier Jahre alt und der Sohn von David Lindholm. Alexander Lindholm ist verschwunden und seit heute Vormittag als vermisst gemeldet. Offiziell ist der Junge in der Wohnung gemeldet, die auch der aktuelle Tatort ist, aber als die Polizeistreife heute Morgen vor Ort eintraf, hielt er sich nicht dort auf. Jeder Hinweis, der Alexander Lindholm und seinen derzeitigen Aufenthaltsort betrifft, ist für uns von höchstem Interesse.»
Im Saal brach hektische Aktivität aus, die Fotografen schössen Aufnahmen von dem Dia an der Wand.
Der Pressesprecher richtete sein Mikrofon aus und sprach hastig, als wollte er die Pressemeute besänftigen.
«Fotos des Jungen werden an sämtliche Medien ausgehändigt», sagte er, «sowohl digital als auch Papierabzüge …»
Der Kommissar fuhr sich durch die Haare, der Chef der Kriminalpolizei machte ein säuerliches Gesicht.
Bilder und CDs mit Fotos und Pressematerial wurden an die Journalisten verteilt, und das Gemurmel und Gescharre legte sich.
«Polizistenmorde sind in Schweden äußerst ungewöhnlich», sagte der Chef der schwedischen Kriminalpolizei langsam, und Stille senkte sich auf den Konferenzsaal im Polizeipräsidium und auch auf den Pausenraum der Polizeiwache Södermalm. «David Lindholm ist das erste Opfer aus unseren Reihen seit den Morden in Malexander Ende der neunziger Jahre, und wir schätzen uns trotz allem glücklich, dass wir so verschont geblieben sind.»
Der Kripochef nahm die Brille ab und fuhr sich über die Augen. Als er weitersprach, geschah dies mit noch größerer Würde und Nachdruck.
«Aber wenn ein Kollege getötet wird», sagte er, «dann ist es nicht nur ein Mensch, der stirbt, nicht nur ein Freund. Es ist ein Teil der Gesellschaftsstruktur an sich, die angegriffen wird, ein Teil unseres demokratischen Fundaments.»
Er nickte gedankenschwer zu seinen Worten. Nina sah die Kollegen ebenfalls zustimmend nicken.
«David … war außerdem … etwas ganz Besonderes», fuhr er fort und senkte die Stimme. «Er war weit über die Polizei hinaus ein Vorbild für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, eine Inspiration für Menschen aller Gesellschaftsschichten und aller gesellschaftspolitischen Lager.»
Jetzt zitterte die Stimme des Kripochefs.
«Ich hatte selbst den Vorzug, Davids Engagement verfolgen zu dürfen und zu erleben, welch positive Wirkung seine Kontakte zu Schwerkriminellen hatten, zu Drogenabhängigen und Lebenslänglichen, wie er diese Menschen dazu brachte, wieder Hoffnung zu schöpfen, an die Zukunft zu glauben …»
Auf einmal hielt Nina es nicht mehr aus. Sie wandte sich ab, stieß zwei Kollegen
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