Lebenslänglich
Zunge vor und verzichtete.
Die andere Möglichkeit, den Gewinn zu erhöhen, war eine Steigerung der Verkaufszahlen, was die Journalisten kräftig fordern würde. Das wiederum bedeutete, dass alle Kürzungen in der Redaktion mit chirurgischer Präzision erfolgen mussten.
Womit er wieder bei der Gewerkschaft und den Schwierigkeiten war.
Er musste die Leute je nach Fähigkeit und Tätigkeit behalten oder feuern, wahrend der Betriebsrat garantiert mit dem alten Dogma winken würde: «Zuletzt rein, zuerst raus».
Falls der Betriebsrat seinen Willen durchsetzte, müssten alle zuletzt eingestellten Mitarbeiter entlassen werden, während die langjährigen Kollegen bleiben durften, was ein Unding war, wenn die Zeitung überleben sollte.
Die neuen Online-Redakteure wurden gebraucht, andernfalls konnte man die ganze Internetpräsenz vergessen. Aber man konnte auch nicht auf die Erfahrung und Kompetenz der älteren Mitarbeiter verzichten, jene, die noch wussten, wer oder was der Justizkanzler war.
Er stöhnte laut.
Der Verband der kaufmännischen Angestellten und der Journalistenverband waren ziemlich schwache und kooperationswillige Gewerkschaften. Sie gingen selten für etwas auf die Barrikaden, und noch seltener für etwas Vernünftiges. Schyman erinnerte sich immer noch voller Verwunderung daran, wie der SJ F von sich aus vorgeschlagen hatte, man solle alle Nachwuchsjournalisten verpflichten, im Falle einer Arbeitslosigkeit auch berufsfremde Tätigkeiten anzunehmen (Tellerwäscher, Reinigungskraft, Arbeiter bei Volvo am Band); es war eine so widersinnige Idee, dass es nicht einmal dem Staat oder den Arbeitgebern eingefallen wäre, Derartiges vorzuschlagen.
Er zupfte an seinem Bart.
Der Betriebsrat hielt am Montag seine jährliche Vollversammlung ab. Auf der würde man einen neuen Betriebsratsvorsitzenden wählen, da der bisherige ab August wegen Weiterbildung beurlaubt war.
Der Posten als Betriebsratsvorsitzender war begehrt, weil er bedeutete, dass man sich ausschließlich um die Belange der Belegschaft kümmerte und von der journalistischen Arbeit in der Redaktion freigestellt war. Außerdem rückte man in die Führungsriege der Zeitung auf und nahm als Belegschaftsvertreter an ausgewählten Vorstandssitzungen teil, was einem gewisse Macht verlieh.
Hoffentlich wird es jemand mit Grips im Kopf, dachte Schyman und beschloss, doch noch loszugehen und sich diesen blöden Kaffee zu holen.
Annika hatte den Eindruck, dass die Leute sie merkwürdig ansahen, als sie mit ihrer brandneuen Schultertasche durch die Redaktion ging. Die Kollegen liebten es natürlich, zu tratschen, das gehörte zum Beruf, und sie begriff, dass ihr abgebranntes Haus gestern der Hit auf der internen Klatsch-und-Tratsch-Skala gewesen war.
Sie hob die Schultern ein wenig und beschleunigte ihren Schritt.
Als Erstes musste sie den Materialschein besorgen, um sich einen neuen Laptop von der Haustechnik abholen zu können, anschließend musste sie nachsehen, ob sie ihre alten Aufzeichnungen im Intranet wiederfand, und dann einen Text über Julia Lindholm zusammenschreiben.
Aber als Allererstes brauchte sie einen Kaffee.
Sie ließ die Tasche und ihre neue Jacke auf den langen Arbeitstisch der Tagesreporter fallen und ging zum Automaten.
Dort stand Anders Schyman und studierte ein wenig kurzsichtig die verschiedenen Tasten.
«Stark und mit Zucker, aber ohne Milch, was drückt man da?», fragte er. Annika stellte rasch «+Stark+Zucker-Milch» ein und drückte auf «Brühen».
«Der Laptop», sagte sie. «Kann ich den jetzt haben?»
«Der Materialschein liegt fertig ausgefüllt auf meinem Schreibtisch», sagte der Chefredakteur. «Brauchen Sie sonst noch was?»
Sie zögerte.
«Ein Auto», sagte sie. «Ob ich wohl übers Wochenende einen Firmenwagen ausleihen könnte …?»
«Das lässt sich bestimmt regeln», sagte Anders Schyman und machte Anstalten, in sein Zimmer zurückzukehren. «Wissen Sie übrigens, was J K ist?»
«Der Justizkanzler», antwortete Annika. «Ein Dinosaurier. Wieso?»
Der Chefredakteur blieb stehen.
«Dinosaurier?»
«Oder irgendein anderes prähistorisches Relikt», sagte Annika. «Ist doch wirklich unglaublich, dass ein solches Amt immer noch auf Lebenszeit vergeben wird, bloß weil es im achtzehnten Jahrhundert so üblich war. Jeder Mensch in Schweden hat das Recht, seinen Anwalt zu wechseln, nur die Regierung nicht. Das ist eigentlich unhaltbar.»
«Kann der J K nicht abgesetzt werden?», fragte
Weitere Kostenlose Bücher