Formulierung», sagte Spiken und ging zurück zu seinem Platz.
Sie verließ die Nachrichtenseiten, loggte sich auf
[email protected] ein und öffnete den Ordner «Archiv». Langsam klickte sie sich durch mehrere Jahre alte Notizen und Dokumente.
In dem Ordner waren Sachen gespeichert, die so alt waren, dass sie sie beinahe schon vergessen hatte, Auszüge aus einem Gespräch mit Patricia, die im Pornoclub «Studio Sex» gearbeitet hatte, Gedächtnisnotizen von ihrer ersten Begegnung mit Rebecka, die die Stiftung «Paradies» betrieb, Kopien von Artikeln, die sie bei
Norrlands-Tidningen
verfasst hatte, als sie dort oben zu einem alten Sprengstoffattentat auf F21 recherchierte und sich plötzlich mitten im Mord an dem Journalisten Benny Ekland wiederfand.
Auf einmal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.
Das hier ist alles, was mir geblieben ist. Alles andere ist verbrannt. Was für ein unwahrscheinliches Glück, dass ich mein Archiv im Web gespeichert habe.
Sie strich sich die Haare aus der Stirn und klickte weiter. Es musste hier irgendwo sein.
Schließlich fand sie das Dokument, beugte sich vor und überflog die knappe A4-Seite.
Nina Hoffman und Julia Lindholm waren auf dem Land in Sörmland aufgewachsen, ab der Dritten in dieselbe Klasse gegangen und richtig gut in Sport. Sie gewannen abwechselnd die Bezirksmeisterschaften in verschiedenen Disziplinen. Mit fünfzehn traten sie der Jugendorganisation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Katrineholm bei, aber Göran Persson konnten sie nicht ausstehen, sie nannten ihn «Nivea» (fett und schmierig). Sie besuchten die Duveholmsschule und wählten den sozialwissenschaftlichen Zweig, genau wie Annika auch. Wären sie ein paar Jahre älter gewesen, würde sie sich vielleicht noch an die beiden erinnern, aber vier Jahre Unterschied bedeuteten im Schulalter viel. Nach dem Abitur war Nina ein halbes Jahr lang durch Asien gereist, während Julia als Aushilfslehrerin an der Stenhammarsschule in Flen jobbte (behördlich nicht genehmigt). Als Nina zurück nach Schweden kam, hatten sie sich beide an der Polizeihochschule beworben und wurden gleich angenommen. An dem Abend, als Annika mit ihnen Streife fuhr, hatten sie bereits gut fünf Jahre Dienst auf der Revierwache im Stadtteil Katarina hinter sich.
Beide jungen Frauen hatten angegeben, dass der raue männliche Umgangs ton auf der Wache ziemlich ermüdend war. Zeigte man Schwäche, war man erledigt.
Ungefähr so wie beim
Abendblatt.
Sie schloss ihr Archiv und machte sich daran, die Artikel zu lesen, die bislang über David Lindholm geschrieben worden waren, sowohl in der eigenen Zeitung als auch in anderen Medien.
Die Nachrufe waren ausnahmslos voll des Lobes und der Ehrerbietung, genau wie es die Dramaturgie erforderte. Sie notierte sich die Namen einiger Kollegen, die sich über den Verstorbenen geäußert hatten: Christer Bure von der Polizei Södermalm und ein Professor Lagerbäck von der Polizeihochschule. Beide beschrieben David Lindholm mit Eigenschaften, die ihn zu einer Reinkarnation Christi auf Erden machten.
Sie überflog die Beschreibung der phantastischen Einsätze zum Wohle der Gesellschaft, die der Polizist geleistet hatte, darunter natürlich auch das berühmte Geiseldrama in Malmö. Die Fotos, auf denen David und der Geiselnehmer Arm in Arm aus dem Kindergarten kamen, waren legendär.
Und dann war da der Geldtransport: Er hatte ganz allein einen großen Raubüberfall aufgeklärt, bei dem zwei Wachleute niedergeschossen worden waren, und außerdem dafür gesorgt, dass die Beute gefunden wurde. Die entscheidenden Hinweise hatte er von einem wegen Mordes verurteilten Amerikaner erhalten, der in Tidaholm einsaß.
Die Festnahme der fünf jungen Männer aus Botkyrka, die den Überfall begangen hatten, war in allen Medien bestens dokumentiert.
Doch dieses Bild von David Lindholm war nicht vollständig, das wusste sie.
Der Held, der all diese spektakulären Verbrechen aufge klärt hatte, war in seinem Bett ermordet worden, erschossen von seiner eigenen Frau.
Da gibt es noch eine andere Wahrheit. Julia muss einen Grund gehabt haben.
Sie klappte ihren Laptop zu und ging hinüber zu Patrik Nilsson. Der Polizeireporter drückte sich die Nase an seinem Bildschirm platt und las angestrengt.
«Schon mal über eine Brille nachgedacht?», fragte Annika und ließ sich auf Berits Platz nieder.
«Die Kripo hat einen Hof in Sörmland nach dem Jungen durchsucht», sagte Patrik Nilsson, ohne den