Lebenslänglich
hat an dem Abend ziemlich viel von David erzählt. David wollte nicht, dass sie während der Schwangerschaft Streife fährt. David mochte nicht, dass sie sich die Haare hatte kurz schneiden lassen.
David gefiel es nicht, dass ihr Bauch dicker wurde. David wollte am liebsten einen Jungen haben. Er rief dreimal an, nur um zu fragen, wo wir gerade waren. Für mich roch das schon fast nach Kontrollzwang.»
Nina musterte sie kühl.
«Wie kommt es, dass Sie sich so gut daran erinnern?»
«David war ja damals schon ein Fernsehstar. Außerdem bin ich allergisch gegen Überwachung, da kriege ich direkt Pickel. Hatten sie eigentlich eine gute Ehe?»
Nina verschränkte die Arme.
«Finden Sie nicht, dass das eine sehr persönliche Frage ist?»
«Man bringt seinen Mann nicht grundlos um.»
Die Pizzen kamen, und sie begannen schweigend zu essen. Sie waren beide hungrig.
Annika bremste sich nach einer Weile, legte das Besteck beiseite und lehnte sich zurück.
«Eine Calzone herunterzuschlingen ist, als würde man Steine im Magen sammeln.»
Nina aß weiter, ohne aufzublicken.
So wird das nichts.
«Wie ist es Ihnen seit damals ergangen?», fragte Annika. «Sind Sie immer noch auf der Katarina-Wache?»
Nina schüttelte den Kopf und wischte sich den einen Mundwinkel mit der Serviette ab.
«Nein», sagte sie und sah kurz auf. «Ich bin befördert worden und seit einem Jahr Polizeiobermeisterin.»
Annika musterte sie. Nina Hoffman war eine smarte junge Frau, die ihren Dienst nach dem Lehrbuch leistete.
Ich versuche es mal über die pädagogische Schiene.
«Es ist sehr heikel, über eine Beziehungstragödie wie diese zu schreiben», sagte Annika. «Aber es besteht ein großes öffentliches Interesse, deshalb müssen wir von den Medien besondere Rücksicht auf alle Beteiligten nehmen. David war einer der bekanntesten Polizisten Schwedens. Ich weiß nicht, ob Sie gestern die Pressekonferenz gesehen haben, aber der Chef der Kriminalpolizei hat ganz offen gesagt, dass der Mord an David ein Vergehen am gesamten Rechtsstaat war, ein Angriff auf die Demokratie.»
Jetzt blickte Nina auf. Ihre Augen waren hellwach.
«Er wirkte auf eine Weise persönlich betroffen, wie ich es bei ihm noch nie gesehen habe», fuhr Annika fort. «Der Chef der Kripo ist sonst immer ziemlich hölzern. Wenn ich es richtig verstanden habe, teilen die meisten Polizisten seine Ansicht. Der Mord an David scheint die schwedische Polizei persönlich gekränkt und getroffen zu haben. Das macht die Arbeit von uns Journalisten besonders schwierig.»
Die Polizeiobermeisterin hatte ihr Besteck weggelegt und lehnte sich vor.
«Wie meinen Sie das?»
Annika wählte ihre Worte sorgfältig.
«Es ist immer ein Balanceakt, über noch andauernde Ermittlungen in einer Straftat zu berichten», sagte sie langsam. «Wir wollen einerseits so viel Information wie möglich für unsere Leser herausholen, müssen aber gleichzeitig Rücksicht auf die Arbeit der Polizei nehmen. Die Polizei sieht sich vor demselben Interessenkonflikt, allerdings genau umgekehrt. Man will so ungestört und effektiv wie möglich arbeiten, kommt aber gleichzeitig nicht voran, wenn man nicht mit der Öffentlichkeit kommuniziert, was vorzugsweise über die Medien geschieht. Verstehen Sie, was ich meine?»
Nina Hoffman sah sie starr an.
«Ehrlich gesagt, nein», entgegnete sie, «das tue ich nicht.»
Annika schob den Teller zur Seite.
«Dieser Mordfall muss aufgeklärt werden, und wir brauchen einen offenen Dialog darüber, was wir schreiben dürfen und schreiben sollten. Das setzt Vertrauen und Loyalität auf beiden Seiten voraus. Wenn es uns gelingt, das herzustellen, haben wir eine Chance auf Erfolg, sowohl ihr als auch wir.»
Nina blinzelte.
«Wir wissen immer viel mehr, als wir schreiben», fuhr Annika fort. «Das ist Ihnen doch klar. Ich war schließlich dabei, als Sie und Julia direkt in den Axtmord hineingeplatzt sind, aber ich habe am nächsten Tag nicht eine Zeile darüber in der Zeitung veröffentlicht. Vielmehr konnten Sie die Schilderung der Ereignisse in meinem Porträt vorher lesen und absegnen. Das ist meine Art zu arbeiten, und das meine ich, wenn ich sage, dass wir auf beiden Seiten verantwortungsvoll handeln müssen.»
Es war die volle Wahrheit. Annika hatte am folgenden Tag nichts über den Axtmord geschrieben, weil sie es Nina versprochen hatte. Stattdessen hatte sie alle Details an Sjölander weitergereicht, der auf diese Art einen großen Artikel gratis bekam.
«Was
Weitere Kostenlose Bücher