Lebenslänglich
plötzlich so einfach geht…»
«Die Polizeimarke hilft meistens», sagte Nina Hoffman, und zum ersten Mal spielte ein Lächeln um ihren Mund.
«Sie haben meine Handynummer noch?», fragte Annika.
Dann gingen sie jede in ihre Richtung davon, die Polizeiobermeisterin hinunter nach Danvikstull und Annika hinauf nach Slussen zur U-Bahn.
Schyman saß an seinem Schreibtisch und starrte vor Schreck gelähmt auf das Protokoll von der Vorstandssitzung der Konzernleitung, datiert auf den gestrigen Tag. Sechzig Mitarbeiter.
Sechzig Mitarbeiter sollten weg
Er stand auf und ging eine Runde durch sein enges Kabuff, einen Schritt in die eine Richtung und einen Schritt in die andere.
Was stellen die sich vor? Soll ich die Redaktion auf die Straße setzen und die ganze Zeitung allein zusammenschustern?
Er setzte sich wieder und raufte sich die Haare.
Wenn er sich entschied, dagegen zu protestieren, gab es für ihn nur eine Zukunft: den Hut nehmen und gehen. Eine andere Möglichkeit bestand nicht, so viel hatte er in all den Jahren im Schoß der Verlegerfamilie gelernt. Jeder Hanswurst konnte eine Zeitung machen, er gab sich nicht der Illusion hin, unersetzlich zu sein. Die Frage war nur, welchen journalistischen Ehrgeiz ein neuer Chef an den Tag legte. Würde aus dem
Abendblatt
eine richtige Boulevardpostille werden, mit nackten Mädchen auf Seite drei? Würden die politischen, enthüllenden und meinungsbildenden Themen über Bord fliegen und nur noch Klatsch und Tratsch über Stars und Sternchen verbreitet?
Oder würde man die Zeitung einfach einstellen?
Das
Abendblatt
war nicht gerade das geliebte Kind des Verlages, um es mal milde auszudrücken. Würde die Zeitung dem Konzern nicht so viel Geld einbringen, hätte man sie schon längst beerdigt.
Gewinn zu erwirtschaften war eine der Grundauflagen gewesen, als er vor ein paar Jahren das Angebot annahm, Chefredakteur und verantwortlicher Herausgeber zu werden, und Anders Schyman hatte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht enttäuscht.
Aber
sechzig Mitarbeiter
Er musste die Sache natürlich mit dem neuen kaufmännischen Direktor besprechen, diesem jungen Schnösel, der vor ein paar Jahren seinen Abschluss an der Handelshochschule gemacht hatte und den Job bekam, weil er mit einem der Söhne der Verlegerfamilie eng befreundet war. Bisher allerdings hatte der Grünschnabel noch nicht viel zuwege gebracht (zur allgemeinen Erleichterung und Zufriedenheit).
Anders Schyman legte das Vorstandsprotokoll auf den Schreibtisch.
Das war verdammt nochmal gar keine dumme Idee.
War es nicht an der Zeit, dass der Grünschnabel seine Pflichten wahrnahm und sich sein Millionengehalt verdiente?
Andererseits: Der Junge konnte nicht beurteilen, welche Maßnahmen notwendig oder welche Mitarbeiter entbehrlich waren. Es würde sich nicht vermeiden lassen, dass er als Chefredakteur selbst die Prioritäten setzte und damit die Drecksarbeit tat. Wenn er den Grünschnabel als Vorhut in den Kampf schickte und die Einsparungen erfolgreich umgesetzt wurden, dann würde der Gernegroß auch die Lorbeeren ernten. Und er selbst würde als feige und unfähig dastehen.
Das kann nicht Sinn der Sache sein.
Wo lagen denn eigentlich die Schwierigkeiten?
Bei den Gewerkschaften natürlich, die würden einen mächtigen Wirbel veranstalten.
Die Zeitung hatte ungefähr 500 Angestellte, davon waren die Hälfte redaktionelle Mitarbeiter und dementsprechend im Schwedischen Journalistenverband SJ F organisiert. (Wer der Gewerkschaft noch nicht angehörte, würde im selben Moment eintreten, in dem die Ankündigung veröffentlicht wurde. Nichts stärkt den kollektiven Zusammenhalt so effektiv wie eine ernstzunehmende Bedrohung des eigenen Portemonnaies.)
Die anderen 250 Beschäftigten waren überwiegend kaufmännische Angestellte (Anzeigen, Werbung, Verwaltung), hinzu kamen noch rund zwei Dutzend arme Grafiker.
Wo konnte man kürzen?
Nicht in der Anzeigenabteilung, das war ganz ausgeschlossen. Die Zeitung musste mit Vollgas raus aus dieser Krise, und die Anzeigen waren die einzige Möglichkeit, Gewinne einzufahren. Die Auflagenanalytiker und die Vertriebsleute durften ebenfalls nicht angetastet werden. Und die Technik war bereits verschlankt.
Blieben also nur Redaktion und Verwaltung.
Anders Schyman seufzte und überlegte einen Moment, ob er sich überwinden sollte, aufzustehen und einen Automatenkaffee im Plastikbecher zu holen. Er schloss die Augen, stellte sich den leicht angebrannten Geschmack auf der
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