Lebenslänglich
des Kriminalressorts und davor USA-Korrespondent, war inzwischen politischer Kommentator und besaß keine der Eigenschaften, die man gewöhnlich mit einem Vertrauensmann der Gewerkschaft verband. Sjölander war smart, witzig und beliebt. Solche Leute blieben nie lange Gewerkschaftsfunktionäre.
Wer sich entschied, die Gewerkschaftsarbeit zum Hauptberuf zu machen, war meistens quengelig, unbegabt oder arbeitsscheu.
Eva-Britt Qyist dagegen erfüllte mit Bravour die Kriterien, die man Interessenvertretern der Belegschaft zuschrieb. Schyman war es geglückt, sie aus der Redaktion zu bugsieren, indem er ihr die Verantwortung für das Bürobudget und die Anwesenheitsmeldungen übertrug. Tatsache war, dass sie ganz weit oben auf seiner Liste der Personen stand, die er loswerden wollte.
Kein Wunder, dass sie kandidiert, dachte er. Als Betriebsratsvorsitzende würde sie endlich ein bisschen Macht und Einfluss erhalten.
«Lindholms Frau wird heute Nachmittag zu Untersuchungshaft verdonnert», sagte Spiken. «Wenn wir Glück haben, gibt das was her.»
«Kaum», sagte Schyman. «Die Staatsanwaltschaft wird uns was husten und auf Geheimhaltung wegen laufender Voruntersuchungen verweisen.»
«Ja, und die Mörderin ist offenbar vollkommen durchgeknallt», sagte der Chef vom Dienst.
Drüben meldete sich Tore von der Hausmeisterei zu Wort.
«Wir sind ziemlich viele hier in der Redaktion, die sich einen anderen Typ Interessenvertreter wünschen. Jemanden, der uns zuhört. Dieses Jahr macht hier das Orchester die Musik, nicht die Solisten. Es ist an der Zeit, dass wir hier unten mehr Einfluss kriegen.»
Zustimmendes Gemurmel war zu hören. Es wurde um Handzeichen gebeten.
Wieso ist Tore in der Journalistengewerkschaft?, dachte Schyman. War er nicht früher mal Grafiker?
«Ich zähle siebenundzwanzig Stimmen für Sjölander», sagte Tore, «… und achtundzwanzig für Eva-Britt Qvist. Wir haben eine neue Betriebsratsvorsitzende!»
Vereinzelter Beifall.
Anders Schyman seufzte. Ab jetzt würde er die Verhandlungen über Personalabbau also mit seiner ehemaligen Brieföffnerin führen müssen.
«Ist Patrik letzte Nacht unten in Sörmland gewesen?», fragte er und deutete auf den Text mit der bildreichen Beschreibung der Moorlandschaft.
«Nein, um Gottes willen», sagte Spiken. «Wie kommen Sie denn darauf?»
«Schmatzende Wassertümpel und das Sirren der Mücken», sagte Schyman.
«Das weiß man doch, wie es in einem Moor ist. Haben Sie das hier gesehen?»
Spiken zeigte auf seinen Bildschirm.
«Im Außenministerium werden Andeutungen gemacht, dass Viktor Gabrielsson wahrscheinlich freigelassen wird.»
Viktor Gabrielsson? Wer zum Teufel war das noch gleich?
«Isnichwahr», sagte Schyman. «Wie das?»
«Man ist auf dem Weg zu einer (diplomatischen Lösung). Hören Sie mal, was
T T
schreibt: Nachdem er fünfzehn Jahre in einem Gefängnis in New Jersey verbracht hat, wo er wegen Mitschuld an der Ermordung eines Polizisten auf Long Island einsaß, könnte Viktor Gabrielsson nach Andeutungen des Außenministeriums in Stockholm schon bald an Schweden ausgeliefert werden …»
Ach richtig, diese alte Polizistenmord-Geschichte.
«Das glaube ich erst, wenn ich es sehe», sagte Schyman.
Spiken klickte weiter und las die nächste Meldung.
«Das Mädchen, das vor einigen Jahren bei
Big Brother
gewonnen hat, will sich ihre Silikon-Implantate herausoperieren lassen», teilte er mit. «Sie will sie symbolisch in einem Plexiglassarg beerdigen und sie dann auf einer Auktion im Internet versteigern.
Der Erlös soll Kindern im Kriegsgebiet von Ruanda zugutekommen.»
Anders Schyman stand auf.
«Fragen Sie mal in Alexanders Kindergarten, ob wir hinkommen und uns die Bilder an den Wänden ansehen dürfen», sagte er. «Heutzutage knipsen sie immer eine Menge Fotos von den Kindern und hängen sie am Schwarzen Brett aus.»
Der Chef vom Dienst blickte mit hochgezogenen Augenbrauen vom Bildschirm auf.
«Was meinen Sie, wo wir die Bilder von dem Jungen in der heutigen Ausgabe herhaben?», fragte er.
Anders Schyman ging zurück zu seinem Büro, schloss die Tür sorgfältig hinter sich und seufzte schwer. Er war gerade im Begriff, sich auf seinen Stuhl zu setzen, als es an die Scheibe klopfte.
Es war Annika Bengtzon. Sie zog die Tür auf, noch ehe er Zeit hatte, sie hereinzuwinken. Die Haare standen ihr zu Berge, und sie hatte diesen terrierhaften Ausdruck im Gesicht, der für gewöhnlich nichts Gutes verhieß.
«Was gibt's?», fragte
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