Lebenslänglich
Büro, um sich zu erholen und eine Tasse Kaffee zu trinken, bevor er seine Entscheidung verkündete.
«Ich gehe», sagte Q. «Muss mich um eine Vernehmung kümmern.»
Er stand auf und schlenderte zum Ausgang.
Nina blieb sitzen, unfähig, sich zu rühren. Sie spürte, wie ihr Puls raste, und merkte, dass sie völlig durchgeschwitzt war.
Sie hatte nicht gewusst, dass Julia unter Epilepsie litt. Sie hatte nicht gewusst, dass Julia ihren Dienst quittiert hatte.
Ich wusste nicht, dass Julia so krank ist.
Die Erkenntnis machte sich in einem hörbaren Keuchen Luft.
Ich weiß überhaupt nichts über sie! Ich kenne sie gar nicht!
Ihre Julia gab es vielleicht nicht, die Julia, die sich nie stritt, die immer darauf wartete, dass jemand anders die unangenehmen Sachen erledigte, sie war womöglich weg, oder es hatte sie nie gegeben. Ihre Julia hätte David nicht erschießen können, ihre Julia wäre erst recht nicht fähig gewesen, dem Jungen etwas anzutun, aber das hier war vielleicht eine andere Julia, eine, die Verderben brachte.
Nina musste tief durchatmen.
Sie blickte sich im Gerichtssaal um.
Ich glaube an das System, ich weiß, dass es Gerechtigkeit gibt, und sie ist hier beheimatet!
Sie wusste genau, was weiter passieren würde.
Wenn der Richter seinen Puls beruhigt und seinen Kaf fee getrunken hatte, würden sich die Türen zum Saal wieder öffnen, die Medienvertreter würden hereingelassen werden, Julia würde wegen des dringenden Tatverdachts, einen Mord begangen zu haben, zum Verbleib in Untersuchungshaft verurteilt werden, und das Gericht würde festsetzen, dass bis zum 21. Juni Anklage zu erheben war.
Die Voruntersuchungen würden natürlich nicht innerhalb von zwei Wochen abgeschlossen werden können, was bedeutete, dass Julias Untersuchungshaft sich wieder und immer wieder verlängern würde, bis die Staatsanwaltschaft eine Anklage zusammenhatte, die so wasserdicht war, dass Julia niemals wieder auf freien Fuß kommen würde.
Eine andere Julia, nicht mehr meine.
Plötzlich konnte sie es keine Minute länger im Gerichtssaal aushalten, nicht eine Sekunde. Sie stand auf und eilte zum Ausgang.
Annika saß auf einem durchgesessenen Sofa im zweiten Stock des Polizeipräsidiums vor Kommissar Qs Büro und wartete. Sie legte den Kopf zurück und schloss die Augen.
Der Tag, der so schlecht begonnen hatte, war doch noch richtig gut geworden.
Die Kinder konnten bereits in einer Woche wieder in ihren alten Kindergarten in Kungsholmen zurück. Die Direktorin schien aufrichtig erfreut über ihre Rückkehr, wahrscheinlich vor allem deswegen, weil es die Einnahmen steigerte.
Zum Herbst hatte sie Kalle in der Eira-Schule in Kungsholmen angemeldet; falls Thomas was dagegen hatte, konnte er sie ja erschießen.
Eine Wohnung hatte sie auch gefunden. Falls man genug Geld hatte, konnte man auch in der Innenstadt Wohnungen mieten, wenn auch in Bürogebäuden und zu einem unverschämten Preis. Sie hatte eine Dreizimmerwohnung in der Västerlanggatan ergattert, für 20 000 Kronen im Monat und unbefristet. Die Miete war der reinste Wucher, klar, aber sie hatte immer noch drei Millionen von ihrem Finderlohn übrig.
Wenn die Angelegenheit mit der Versicherungssumme für das Haus geklärt war, würde sie sich eine Wohnung kaufen, die ihr wirklich gefiel… Die
ihr
wirklich gefiel.
Sie schnappte nach Luft und horchte auf ihr Gefühl.
Allein, ohne ihn.
Sie verbiss sich die Tränen.
Meine Kinder. Nicht von einer wie dir erzogen. Ich werde das alleinige Sorgerecht beantragen. Keine Sekunde länger. Ich fahre hin und hole sie.
Sie versuchte, ruhig zu atmen.
Sie hatte die ganze Elternzeit genommen.
Sie war immer zu Hause geblieben, wenn eines der Kinder krank war.
Sie hatte sie nie vernachlässigt, sie immer satt und sauber im Kindergarten abgeliefert.
Er kann mir die Kinder nicht wegnehmen. Er hat keinen Grund dazu. Er muss beweisen, dass ich unzuverlässig bin, ansonsten gewinne ich.
Der Kommissar kam mit einem Kaffeebecher in der Hand den Korridor entlang.
«Möchten Sie auch einen?»
Annika schüttelte den Kopf.
«Ich muss nach Hause zu den Kids», sagte sie, «deshalb möchte ich das hier schnell erledigt haben.»
Q schloss sein Büro auf und nahm am Schreibtisch Platz. Annika folgte ihm und ließ sich auf dem vertrauten Besucherstuhl nieder.
«Jetzt ist sie also in U-Haft», sagte Annika. «Sie wird wohl verurteilt werden, dass es nur so eine Art hat, im Gegensatz zu David. Das Verfahren gegen ihn wurde ja
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