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Lebenslang Ist Nicht Genug

Titel: Lebenslang Ist Nicht Genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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ihn. Aber dann sagte
ich mir wieder, die Beschreibung müsse ja nicht unbedingt stimmen. Warum mochte er mir nachlaufen? Und dann sah ich ihn , diesen Jungen, auf den die Beschreibung genau paßte, Wort für Wort. Er trug sogar eine gelbe Windjacke. Ich nahm mir ein Zimmer in dem Haus, in dem er logierte. Ich hab’ sogar die Polizei angerufen und ihn angezeigt, aber nichts geschah. Bis heute. Da stand er plötzlich vor meiner Tür, und ich fragte ihn, ob er Cindy getötet habe. Er sagte, er könne sich nicht erinnern, es seien so viele gewesen. Und ehe ich begriff, was ich tat, hatte ich mich schon auf ihn gestürzt. Wir kämpften miteinander, und dann warf er plötzlich etwas nach mir und behauptete, es sei eine Wanze. Er dachte, ich sei von der Polizei, und er schrie, es würde mir nie gelingen, ihm den Mord an Cindy anzuhängen. Ich versuchte zu fliehen, aber als ich die Tür aufmachte, stand der Mann draußen, der mich verfolgt hatte. Er war von der Polizei. Sie hatten in all meinen Zimmern Wanzen versteckt und mich belauscht. Der Kommissar sagte, er glaube nicht, daß dieser Nick Rogers der Mörder sei, weil seine Schuhgröße nicht zu dem Abdruck passe, den sie am Tatort gefunden haben...«
    »Gail, hör auf...«
    »Wir wissen nicht viel über Cindys Mörder, aber wir wissen doch einiges. Er ist jung, hat dunkelblondes Haar, ist schlank, mittelgroß und hat Schuhgröße 43.«
    »Gail, hör endlich auf, um Gottes willen!« Jack konnte sich nicht länger zurückhalten. »Was, zum Teufel, erzählst du denn da?« Er sprang auf und lief im Zimmer hin und her.
    »Daß ich versucht habe, Cindys Mörder zu finden!« rief sie. Konnte er das denn nicht begreifen!?
    »Gail, hör mir mal zu. Ich möchte, daß du einen Psychiater aufsuchst.«
    »Warum? Glaubst du, der kann mir sagen, wer Cindy umgebracht hat?«
    »Ich schlage dir nicht vor, zum Psychiater zu gehen, ich bestehe darauf, Gail.«

    »Ich brauche keinen Psychiater. Genau darum habe ich dir verschwiegen, was ich die ganze Zeit über getan habe. Ich brauche keinen Psychiater. Ich bin nicht verrückt!«
    »Du meinst also nicht, daß nächtliche Autofahrten über einen Highway, auf dem ein Wahnsinniger seinen Opfern auflauert, oder die Verfolgung von Fremden und das Durchsuchen ihrer Zimmer - was noch? - ach ja, Trampen und mitternächtliche Spaziergänge im Park, bei denen man ausgeraubt wird...«
    »Das hab’ ich nicht gewollt!«
    »Nein, da hast du verdammt recht!« schrie Jack sie an. »Ich glaube auch nicht, daß du vorhattest, dich bestehlen zu lassen. Ich denke, du wolltest dich umbringen lassen!«
    »Was redest du da?«
    »Merkst du denn gar nicht, was du sagst, Gail? Hast du nicht begriffen, was du mir erzählt hast? Du willst wissen, wovon ich rede? Ich spreche von einer Frau, die wiederholt ihr Leben aufs Spiel gesetzt hat, die von einem finsteren Loch zum nächsten zieht, sich einer Gefahr nach der anderen aussetzt und die nur darauf wartet, ja die es darauf anlegt , daß ihr etwas zustößt. Verdammt noch mal, Gail, du bist keinem Mörder auf der Spur. Du willst nichts weiter, als dich umbringen lassen!«
    Gail lehnte sich zurück. Ihr war der Wind aus den Segeln genommen. Es wäre sinnlos gewesen zu widersprechen.
    Jack hatte recht.

28
    »Wie denken Sie über Ihren Besuch bei mir?«
    »Was glauben denn Sie, wie ich darüber denke?«
    Der Mann hinter dem wuchtigen Schreibtisch lächelte und kritzelte etwas auf den Notizblock, der vor ihm lag. »Sie bedienen sich meiner Taktik«, sagte er und wartete darauf, daß sie sein
Lächeln erwidere. Gail begegnete seinem Blick mit finsterer Entschlossenheit.
    Dr. Manoff war jung. (Alle sind jung, dachte Gail, zumindest im Vergleich zu mir.) Ein Kranz schwarzer Haare umrahmte eine völlig kahle Schädelpartie, und er tat nichts, um diese Glatze zu kaschieren. Gail fand das sympathisch. Ihr gefiel auch, daß er weder einen weißen Kittel trug noch ein Jackett. Für jemanden seines Berufsstandes wirkte er überhaupt sehr salopp. Zum rosakarierten Hemd trug er eine marineblaue Krawatte, die ziemlich locker gebunden war. Das rosa Hemd sollte vielleicht dokumentieren, daß er sich in seiner Männlichkeit sicher fühle und mit seinem Image keinerlei Probleme habe. Sie war sich nicht sicher, was die blaue Krawatte bedeutete und warum sie nicht korrekt gebunden war. Versuchte er ihr zu suggerieren, er sei nichts weiter als ein Kumpel, mit dem man offen sprechen könne? Gail kam zu dem Schluß, es wäre ihr doch lieber

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