Lebenslang Ist Nicht Genug
Heimweg von der Schule. Allein. Sie lauerten ihr im Park auf, hinter einem Gebüsch versteckt. Sie...« Gail stockte, beherrschte sich aber gleich wieder. »Sie zerrten das Kind hinter die Büsche und vergewaltigten es. Danach haben Sie meine Tochter umgebracht.« Gail spürte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen.
Der Junge grinste noch breiter. »Bin kein besonders netter Kerl, was?«
Gail sah den Spott in seinen Augen und stellte sich vor, wie diese Augen ihr Kind beobachteten, als die Kleine die Straße entlanghüpfte, stellte sich vor, wie er ins Gebüsch kroch und auf
eine Chance zum Angriff wartete. Plötzlich warf sie sich auf den Jungen, ihre Nägel gruben sich in sein Fleisch, genau unter diesen unheimlichen Augen. Sie sah das Blut über seine Wangen laufen, wie ein rotgefärbtes Abbild ihrer Tränen.
»Du verrücktes Weibsstück!« Er packte ihre Arme und bog sie mit Gewalt nach hinten. Dann faßte er sie um die Taille, hob sie hoch und warf sie aufs Bett. Mit den Füßen bändigte er ihre strampelnden Beine, während seine Hände ihre Arme mit eisernem Griff umklammert hielten.
Gail war verblüfft über seine Kraft. Er war nur ein paar Zentimeter größer als sie und wog höchstens zehn Kilo mehr, und doch war es ihm mühelos gelungen, sie zu überwältigen und wehrlos zu machen. Was für ein leichtes Spiel mußte er erst mit ihrem Kind gehabt haben.
»Wie, zum Teufel, kommen Sie ausgerechnet auf mich?« schrie er. »Warum haben Sie mir die verdammten Bullen auf den Hals gehetzt? Glauben Sie vielleicht, das war ein Vergnügen? Meinen Sie, ich hätte nicht schon genug Schwierigkeiten? Ich war im Bau, Lady. Denken Sie etwa, ich wär’ so scharf drauf, da wieder reinzukommen, daß ich so’n Scheiß mache?« »Sie haben mein Kind ermordet!«
»Ich hab’ niemanden ermordet! Und wenn Sie alle Bullen des Landes auf mich hetzen oder hinter mir herlaufen, bis wir beide die Radieschen von unten begucken - diese Vergewaltigungsgeschichte werden Sie mir nie anhängen!«
»Sie haben aber doch gestanden.« Gail schluchzte. »Sie haben’s zugegeben. Sie haben’s getan, das haben Sie selbst gesagt.«
»Was reden Sie denn da für’n Scheiß?« Er wurde zusehends wütender. Wie Schraubstöcke bohrten seine Hände ihre Gelenke in die Matratze.
»Vorhin, hier in diesem Zimmer. Sie haben so gut wie gestanden, daß...«
Gails Blick ließ den seinen nicht los. »Das war doch bloß’n Trick.« Er lachte höhnisch. »Ich wollte Ihnen’n bißchen Dampf
machen, Ihnen zurückzahlen, was Sie mir angetan haben. Ich hab’ nichts gestanden, gar nichts...«
Er ließ plötzlich von ihr ab, sprang auf den Boden und tastete mit fliegender Hast die Unterseite des Bettes ab. Seine Hände zerrten an den Laken. »Mir werden Sie diesen Scheiß nicht anhängen, mir nicht!« Er richtete sich auf und suchte die Wände ab. Dabei stieß er das Tischchen am Fußende des Bettes um. Er kniete nieder und tastete die Dielenbretter darunter ab.
»Was suchen Sie denn?«
Er war auf einmal furchtbar aufgeregt, trat von einem Fuß auf den anderen und konnte nicht einen Moment stillstehen. »Das hab’ ich gesucht!« Er warf etwas nach ihr, das aussah wie ein Fingerhut. Das winzige Ding prallte an ihrer Wange ab und kullerte über den Fußboden.
»Was ist das?« Gail spürte, wie auch in ihr die Panik wuchs.
»Versuchen Sie mir bloß nicht die naive Unschuld vorzuspielen, Sie Flintenweib! Ich weiß genau, wie’ne Wanze aussieht.«
»Eine >Wanze Was soll das? Wovon reden Sie?«
»Sie werden mir keinen gottverdammten Kindermord anhängen, Sie Miststück. Ist das klar?«
Gail sprang vom Bett auf und rannte zur Tür. Im nächsten Augenblick spürte sie seine Hände auf ihren Schultern. »Nein!« Sie hoffte, jemand würde ihren Schrei hören. Außer sich vor Angst tastete sie nach dem Türgriff und drückte ihn, so daß die Tür aufsprang.
Vor ihr stand der bullige Mann mit den dunklen, ungewaschenen Locken. Im ersten Augenblick dachte Gail, das sei das Ende. Sie hatte recht gehabt; er war ihr gefolgt. Er und Nick Rogers gehörten irgendwie zusammen.
»Polizei!« schrie sie, als der Mann mit den dunklen Locken nach ihrem Arm griff. Nick Rogers drängte sie beide brutal gegen den Türrahmen und rannte aus dem Zimmer. Sie hörte seine Schritte die Treppe hinunterstolpern. Der Dunkelhaarige führte sie zum Bett. »Polizei«, flüsterte sie und blickte ihn an, ehe sie auf
die zerwühlte Decke niedersank. Und plötzlich, bevor er
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