Lebenslang Ist Nicht Genug
später waren sie verheiratet, und Gail hatte diesen Schritt seither noch kein einziges Mal bereut. So wie sie gleich bei der ersten Begegnung mit Mark Gallagher gespürt hatte, daß er nicht zu ihr paßte, so wußte sie vom ersten Augenblick an, daß Jack Walton der Richtige für sie war. Seine Züge wirkten ein wenig grob und schienen selbst verwundert darüber, daß sie alle zu ein und demselben Gesicht gehörten. Doch seine blauen Augen blickten sanft und gütig in die Welt, und wenn er lächelte, bildeten sich auf seiner Stirn lustige Falten.
Gail verblüffte ihren ganzen Freundeskreis, als sie gleich nach der Hochzeit ihren Beruf aufgab, um sich ausschließlich ihrer Tochter zu widmen. Jennifer war ein scheues kleines Mädchen; darin schlug sie ihrer Mutter nach. Doch unter Gails geduldiger,
verständnisvoller Führung blühte sie merklich auf. Ebenso sicher wie in der Wahl ihres zweiten Ehemannes war Gail sich über die Richtigkeit ihrer Entscheidung, zu Hause zu bleiben. Jack gab sich alle Mühe, das Vertrauen des Kindes zu erringen, das sich freilich anfangs gegen ihn sträubte. Doch schließlich wurde seine Beharrlichkeit belohnt. Die beiden wurden die besten Freunde, was sich als sehr hilfreich erwies, als Gail ein Jahr später merkte, daß sie schwanger war.
Vom Augenblick ihrer Geburt an war Cindy in jeder Beziehung anders als Jennifer; die beiden waren so verschieden, wie Gail und ihre Schwester es als Kinder gewesen waren.
Jennifers Geburt waren achtundzwanzig Stunden schmerzhafter Wehen vorangegangen, die Gail allein durchstehen mußte, während Mark sich in irgendeiner Bar betrank. Als Cindy zur Welt kam, half Jack bei der relativ leichten Entbindung. Cindy gehörte zu den Babys, die von Anfang an das Richtige zur rechten Zeit tun, was für Gail eine große Erleichterung bedeutete, für Jennifer dagegen eine Menge Probleme mit sich brachte. Sie stand dem Familienzuwachs vom ersten Tag an ablehnend gegenüber. Doch da der Altersunterschied zwischen den beiden Mädchen fast zehn Jahre betrug, hielten sich die Schwierigkeiten in Grenzen, und Gail war dankbar dafür. Von Jahr zu Jahr besserte sich das Verhältnis ihrer beiden Töchter zueinander, jedes Jahr schien schneller zu verstreichen als das vorangegangene, und so manches in ihrer Umgebung veränderte sich mit dem Weggang von Nachbarn und Bekannten, die sich woanders ein neues Leben aufbauten.
Sobald ihr Vater pensioniert wurde, flohen Gails Eltern vor den kalten New-Jersey-Wintern und zogen gen Süden. Vier Jahre lebten sie nun schon in der Eigentumswohnung in Palm Beach. Ihre Mutter stellte dauernd die Möbel um (Gail mußte sich bei jedem Besuch erst wieder zurechtfinden) und entspannte sich bei langen Spaziergängen am Strand. Ihr Vater sang und malte immer noch gern, hatte sich jedoch ernüchtert aus dem
Zirkel der Erfinder zurückgezogen. Die übrigen eher konservativen Hausbewohner sahen in ihm einen verschrobenen Exzentriker. Ihren Vater kümmerte das nicht weiter. Er hatte sich einen Walkman angeschafft, der ihn vor unliebsamem Klatsch abschirmte, wann immer der alte Herr sich am Swimming-pool sonnte. Wie ein Hörgerät trug er sein Radio mit sich herum, und ein Knopfdruck blendete alle Geräusche in der Umgebung aus. Anfangs fühlten sich einige Sonnenanbeter von der Musik und von Dave Harringtons lautstarkem Gesang gestört. Aber schon bald zogen die, denen seine improvisierten Konzerte auf die Nerven gingen, ans andere Ende des Pools, während alle, die Gefallen an seinen Darbietungen fanden - und ihre Zahl stieg von Jahr zu Jahr - sich entzückt um seinen Liegestuhl scharten. »Dads Groupies!« So nannte Lila Harrington scherzend die meist reichen Witwen, die zu den glühendsten Bewunderern ihres Mannes gehörten.
Carol hatte an der Columbia-Universität den Magistergrad in Theaterwissenschaft erworben und sich in New York niedergelassen, wo sie mit mäßigem Erfolg auf kleinen und großen Bühnen spielte. Hie und da war ihr Name bei Mitschnitten von Broadway-Aufführungen zu lesen, aber nur selten stand er in leuchtenden Neon-Lettern über dem Theatereingang. Carol war immer noch unverheiratet; sie wechselte ihre Lebensgefährten ziemlich regelmäßig im Zwei-Jahres-Rhythmus.
Sogar Mark Gallagher hatte sich verändert, seit er mit Julie verheiratet war. Er war erfolgreich, beständig und monogam. Jedenfalls hatte Gail den Eindruck, bis Lieutenant Cole ihr mitteilte, er habe ihren Exmann von der Liste der Verdächtigen
Weitere Kostenlose Bücher