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Lebenslang Ist Nicht Genug

Titel: Lebenslang Ist Nicht Genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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sich zusehends enger zusammengeschlossen, während Gail sich immer weiter von ihnen entfernte. Ob sie das wohl gemerkt haben?
    Gail sah zu, wie der kleine Sarg in die Erde gesenkt wurde, sie hörte das Schluchzen ringsum, doch in ihr blieb alles stumm. Ihre Augen waren trocken, ihr Körper schien regungslos. Einem unbeteiligten Beobachter, etwa dem Kameramann oder dem Fernsehzuschauer, der am Abend die Übertragung des Trauergottesdienstes sah, erschien sie als ein Wunder an Kraft, eine außergewöhnlich gefaßte Frau, wie der Nachrichtensprecher es formulierte. Ein Kommentator stellte gar in aller Öffentlichkeit die Frage, woran diese Frau wohl am Grab ihres Kindes gedacht
habe. Es hätte ihn gewiß enttäuscht zu erfahren, daß sie an gar nichts gedacht hatte. Ihr Kopf war völlig leer. Der Fremde im Gebüsch hatte all ihre Gedanken ausgelöscht.
     
    Gleich als der Wagen die Einfahrt erreichte, spürte sie, daß etwas geschehen sein mußte. Das Haus war nicht mehr so, wie sie es verlassen hatten. Vor der Haustür lagen Glasscherben. »Mein Gott«, flüsterte Gail.
    »Was ist passiert?« fragte Jennifer.
    »Ruf die Polizei an«, sagte Jack mit ruhiger Stimme.
    Ein Streifenwagen war ihnen gefolgt, und in Minutenschnelle hatten die Beamten das Haus umzingelt. Bei der Durchsuchung achtete man sorgfältig auf Fingerabdrücke.
    »Ich glaub’ nicht, daß wir was finden werden«, gestand Lieutenant Cole, als sich die verstörte Familie im Wohnzimmer versammelt hatte. Der Raum war völlig verwüstet. Die Stereoanlage und der Farbfernseher waren verschwunden, außerdem fehlten Geld und ein paar Schmuckstücke. »Wer das getan hat, der wußte vermutlich, daß die gesamte Familie bei der Beerdigung sein würde. Der Fall hat ja genug Aufsehen erregt. Der Täter muß sich genau den rechten Zeitpunkt ausgesucht haben. Ein gewiefter Einbrecher nimmt keine Rücksicht auf das Leid seiner Opfer.«
    »Glauben Sie, daß der Mann, der Cindy getötet hat...«
    »Unwahrscheinlich«, unterbrach Lieutenant Cole. »Sehr unwahrscheinlich.«
    »Aber nicht ausgeschlossen?« hakte Gail nach.
    »Nein, ausgeschlossen nicht.«
    »Schweine!« erklärte Dave Harrington jedem, der in seine Nähe kam. Gail sah ihren Vater verständnislos an. In ihr regte sich nichts. Diese zusätzliche Schmach berührte sie nicht mehr.
    Als die Polizei fort war und ihr Mann Jennifer zu Mark und Julie brachte, bei denen sie die Nacht verbringen sollte, begann Gail, die Sachen aufzuräumen, die achtlos im Haus verstreut lagen.
Schubladen hatte man auf dem Boden ausgeleert. Tische waren umgeworfen, zerbrochene oder zertretene Nippsachen lagen auf dem Teppich. Das Besteck war im Eßzimmer verstreut. Chromargan war den Dieben wohl nicht wertvoll genug erschienen. Gail bückte sich und hob ein großes Messer auf. Sie fuhr mit der Schneide an ihrem Zeigefinger entlang und sah überrascht ein kleines Rinnsal Blut über die weiße Haut laufen.
    »Gail! Um Gottes willen, was machst du denn da?« schrie Carol erschrocken.
    Gail blickte verwirrt zu ihr auf und wußte nicht, was sie sagen sollte. Also schwieg sie und ließ sich von Mutter und Schwester in die Küche führen, das Blut abwaschen und den Finger verbinden.
    »Ich werd’ das Besteck wegräumen«, sagte Carol und wandte sich brüsk ab. Das Kofferradio ist weg, dachte Gail. »Daddy hat recht«, fuhr Carol fort. »Wer so was tut, ist ein Schwein. So einer verdient’s nicht, zu leben. Man sollte diese Kerle zusammentreiben und abknallen.«
    »Carol, ich bitte dich«, mahnte ihre Mutter leise. »Solche Reden helfen uns doch auch nicht weiter.«
    »Mir schon«, entgegnete Carol gereizt. »Was ist bloß los mit solchen Leuten? Haben die denn gar kein Gefühl?«
    »Anscheinend nicht«, sagte Gail. Sie war selbst überrascht, daß ihre Stimme so gefaßt klang.
    »Geht’s dir gut?« Carol trat zu ihr und legte den Arm um sie. »Du siehst gar nicht gut aus. Was schaust du denn so? Gail, hörst du mich?«
    Gail erkannte die Angst in den Augen ihrer Schwester. Aber sie begriff nicht, was Carol sagte. Sie spürte nur ihren Atem im Gesicht und versuchte sich von ihr loszumachen. Sie wich ihrem Blick aus. Carol nahm ihr die Luft und ließ ihr keinen Raum zum Atmen.
    Gail versuchte zu sprechen. Sie wollte ihre Schwester bitten, ein Stück beiseite zu gehen, wollte ihr erklären, daß ihr nichts
fehle außer Platz, doch als sie den Mund öffnete, zuckten ihre Lippen wieder so hilflos wie vorhin in der Kirche, und sie brachte kein

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