Lebenslang Ist Nicht Genug
das Gespräch mit dir, Gail. Sie braucht deine Liebe und deine Anerkennung.«
»Sie hat meine Liebe und Anerkennung!«
»Sie braucht deine Aufmerksamkeit.« Er schenkte ihr ein zaghaftes Lächeln. » Ich brauche deine Aufmerksamkeit auch.«
Gail senkte den Kopf. »Entschuldige. Ich war in letzter Zeit zu sehr von anderen Dingen in Anspruch genommen. Und ich war launisch. Ich will versuchen, mich zu bessern.«
»Jennifer ist wirklich Feuer und Flamme für ihre Arbeit.« Jack lachte. »Du solltest mal hören, wie sie über Stative und Belichtungsmesser redet, und die Fotografie ist ja auch ein recht faszinierendes Gebiet. Gail...«
»Ja?«
»Was hab’ ich gerade gesagt?«
Gail sah die momentane Verärgerung in seinem Blick. »Entschuldige, ich habe nicht zugehört, was du gesagt hast...«
Jack stand auf. »Ich geh’ jetzt wohl besser.« Er beugte sich zu ihr hinunter und küßte sie auf die Stirn, wie Jennifer es vorhin getan hatte. »Ich ruf’ dich nachher mal an.«
»Vielleicht bin ich außer Haus«, sagte sie rasch.
»Oh? Wo willst du denn hin?«
»Ich dachte, ich fahr’ ein bißchen spazieren.«
»Wär’ eigentlich keine schlechte Idee, den Wagen mal überholen zu lassen«, sagte Jack im Hinausgehen. »Den letzten Inspektionstermin haben wir ja verpaßt.«
Als er aus dem Haus war, goß Gail sich eine zweite Tasse Kaffee ein. Sie fühlte sich gereizt, und ihr war nicht wohl in ihrer Haut. Ihr war nicht bewußt geworden, wie abwesend sie in letzter Zeit gewirkt hatte, so sehr, daß Jennifer es bemerkt und sich dadurch verletzt gefühlt hatte. Und Jack auch. Sie stellte die Tasse hin. Sie würde sich in Zukunft besonders anstrengen müssen, um den beiden ihr Interesse zu beweisen. Das ist wichtig, sagte sie sich und griff nach der Morgenzeitung.
Auf Seite 20 stand eine bemerkenswerte Geschichte. Ein Achtzehnjähriger hatte unter starker Drogeneinwirkung mit einem Hammer die Mutter seines besten Freundes erschlagen. Ein mitleidiger Richter hatte den Jungen unter Berufung auf seine ohnehin ausgeprägte Suizidalität zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. »Auf Bewährung«, wiederholte Gail laut. Sie hatte diesen Begriff früher zwar schon tausendmal gehört, aber erst vor kurzem war ihr seine volle Tragweite klargeworden. Eine Frau war tot; ihr Mörder lief frei herum. Auf Bewährung. Die Gesellschaft würde seine Strafe verbüßen.
Ein kurzer Artikel auf Seite 5 fesselte ihre Aufmerksamkeit. Sie überflog ihn, stand dann rasch auf und suchte auf dem Telefontischchen nach einem Rotstift. Als sie ihn gefunden hatte, kehrte sie damit zu ihrer Zeitung zurück, las den Artikel ein zweites Mal und unterstrich die für sie wichtige Information. Übers Wochenende waren in ein und derselben Straße in Newark drei Einbrüche verübt worden. Sie unterstrich den Straßennamen: Washington Street. Ein Leihhaus, ein Herrenbekleidungsgeschäft, sowie eine Spar- und Darlehenskasse waren allesamt von einem einzelnen bewaffneten Banditen überfallen worden. Der Mann, der auf einen Kunden geschossen und ihn verletzt hatte, als dieser ihm den Fluchtweg versperren wollte, war
der Beschreibung nach ein Weißer Mitte Zwanzig, hatte aschblondes Haar, war etwa einen Meter fünfundsiebzig groß und schlank. Alles paßte mit der Beschreibung zusammen, welche die Jungen von dem Mann gegeben hatten, der nach Cindys Ermordung aus dem Park gerannt war. Gail ließ die Zeitung auf den Tisch sinken. Allein in der Gegend von Livingston gab es mindestens hundert junge Männer, auf die diese Beschreibung zutraf.
Das Telefon klingelte.
»Ich lasse keine Ausrede gelten«, sprudelte Laura fröhlich los, sobald Gail sich gemeldet hatte. »Heute lade ich dich zum Lunch ein. Du darfst das Restaurant aussuchen.«
Gail versuchte abzuwehren. »Laura, ich kann nicht...«
»Wenn du’nen Termin beim Zahnarzt hast, dann sag eben ab. Wenn du beim Gynäkologen angemeldet bist, vergiß es. Und wenn du schon eine Essenseinladung hast, dann laß sie sausen. Ich werde dich ausführen, und ich lasse mir keinen Korb geben. Also, wo möchtest du essen?«
Gail raschelte nervös mit der Zeitung. »Zur Zeit hab’ ich mittags eigentlich keinen Hunger...« Sie brach ab, als ihr Blick auf die Anzeige fiel. »Maestro’s« stand da in schwungvollen Lettern. »Die Nummer eins der italienischen Küche.« Die Adresse war Washington Street.
»Gail, ißt du etwa nicht ordentlich?« hörte sie Lauras besorgte Stimme.
»Maestro’s«, sagte
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