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Lebenslang Ist Nicht Genug

Titel: Lebenslang Ist Nicht Genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Scher dich raus!« Halb schleifte und halb schubste sie die verängstigte Frau zur Tür.
    »Das werde ich dir nie verzeihen.« Sheila Waltons Stimme zitterte.
    »Ich werde dir nie verzeihen.«
    Als Gail die Haustür hinter ihrer Schwiegermutter schloß, brach sie weinend zusammen.
    Eine Viertelstunde später erschien eine strahlende Laura Cranston, um Gail abzuholen.

21
    Gail zitterte noch immer, als Lauras Wagen vor dem Manor Club hielt. Der Page, ein schlanker junger Mann um die zwanzig mit tadellos gepflegtem braunem Haar, eilte herbei, um ihnen beim Aussteigen zu helfen. Gail betätigte die automatische Türverriegelung.
    »Was machst du denn da?« fragte Laura erschrocken.
    »Ich kann es nicht«, flüsterte Gail. »Bitte, Laura, ich steh’ das nicht durch.«
    Laura wandte sich ihrer Freundin zu und sah ihr ins Gesicht. »Aber natürlich stehst du’s durch. Komm schon. Das wird dich auf andere Gedanken bringen.«
    »Sie hat so schreckliche Sachen gesagt, Laura. Sie hat mir praktisch vorgeworfen, ich hätte den Tod meiner Tochter verschuldet.«
    »Sie fühlte sich bloß vernachlässigt, weil du gesagt hast, daß du ausgehst. Das hat sie wütend gemacht. Sie hat wahrscheinlich selber Schuldgefühle, die sie quälen. Jedenfalls war sie nicht gerade eine Bilderbuchoma, habe ich recht? Sie macht sich bestimmt selbst Vorwürfe.«
    »Ich hätte ihr nicht solche Gemeinheiten an den Kopf werfen dürfen.«
    »Ach was, du kannst sie nachher anrufen und dich entschuldigen. Außerdem verlangst du einfach zuviel von dir. Hast du schon immer getan.« Laura griff nach Gails Hand. Der Page stand neben der verschlossenen Tür und beobachtete die beiden Frauen im Wagen mit wachsendem Interesse. »Hör mir mal gut zu«, fuhr Laura fort, ohne den neugierigen Jungen zu beachten. »Du hast das Unglück sehr tapfer getragen. Vielleicht sogar zu tapfer. Nach außen wirkst du wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung. Aber wie sieht es in deinem Innern aus, Gail? Du hast alles in dich hineingefressen. All der Zorn, der sich in dir aufgestaut
hat, wird sich, muß sich eines Tages irgendwie Bahn brechen. Dieser Zusammenstoß mit deiner Schwiegermutter mußte früher oder später passieren, und du wirst womöglich auch noch mit anderen Leuten aneinandergeraten.«
    »Mein Gott, Laura, nur das nicht.«
    »Die Menschen, die dich lieben, werden es verstehen.« Laura deutete auf den jungen Mann, der ungeduldig neben dem Wagen wartete. »Bist du bereit?« Gail nickte, und Laura drückte auf den Knopf, der die Verriegelung aufhob.
    Der Page hielt Gail die Tür auf und blickte die beiden Frauen verlegen an. »Steigen Sie aus?« fragte er schüchtern.
    Gail betrachtete sein Gesicht, die schmalen braunen Augen und die lange, gerade Nase. Sein heller, Teint war glatt wie der eines Babys, und er hatte kräftige, ebenmäßige Zähne. Ihr Blick fiel auf seine Hand am Wagenschlag. Es war eine große Hand mit kurzen, dicken Fingern und Nägeln, die bis aufs Fleisch abgekaut waren. Sie stellte sich vor, wie diese Hand ihr an die Kehle griff. »Gail!« Laura kam ums Auto herumgelaufen und half ihr beim Aussteigen. »Deine Schuhe werden Nancy gefallen«, sagte sie und probierte ein Lächeln.
     
    Sie mußten Schlange stehen, und als ihnen endlich ein Tisch zugewiesen wurde, fanden sie sich in der Gesellschaft von zehn anderen Frauen wieder. Gail erkannte keine von ihnen, wofür sie dankbar war. Sie schaute sich so diskret wie möglich im Saal um, den Kopf gesenkt, so als wolle sie sich am liebsten unsichtbar machen. Etwa zweihundert Frauen waren versammelt, alle phantastisch angezogen und voll gespannter Erwartung.
    Gail suchte nach Nancy, konnte sie jedoch nicht finden.
    »Trink ein Glas Wein«, riet Laura ihr leise. »Er ist schön trocken.«
    »Wo ist Nancy?«
    Laura sah sich um. »Wahrscheinlich gibt sie hinter der
Bühne die letzten Anweisungen. Du weißt doch, wie Nancy ist. Sie will immer alles unter Kontrolle haben.«
    »Unter Kontrolle«, wiederholte Gail und nippte an ihrem Wein. Wie bedeutungslos solche Worte in Wirklichkeit doch waren.
    »Ihr Mann ist Anwalt, nicht?« fragte eine Frau Laura über den Tisch hinweg. Laura nickte, und ein gezwungenes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie hatte sich schon immer dagegen gesträubt, beruflich im Schatten ihres Mannes zu stehen. »Man hat mich als Geschworene berufen«, fuhr die Frau fort.
    »Sie steht auf der Geschworenenliste«, wiederholte eine andere Frau laut, damit auch alle am Tisch es

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