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Lebenslang Ist Nicht Genug

Titel: Lebenslang Ist Nicht Genug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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ein anhaltender Alptraum gewesen, den sie jetzt noch einmal von vorn durchleben müsse. Aber dann hatte der stechende Schmerz in ihrer Wange und in ihrem Brustkorb sie davon überzeugt, daß der nächtliche Überfall Wirklichkeit gewesen war.
    Ihr fiel ein, daß jemand ihr etwas sehr Übelriechendes unter die Nase gehalten hatte, daß man sie wachgerüttelt und von einem Raum zum anderen gebracht, sie gestochen, betastet, geröntgt und später endlos mit Fragen bombardiert hatte. Aber sie erinnerte sich nur verschwommen an den Überfall und konnte den Täter so gut wie gar nicht beschreiben. Die Polizei schien sich im übrigen mehr dafür zu interessieren, was sie mitten in der Nacht im Park gesucht habe. Ob sie denn nicht wisse, daß es gefährlich sei, nachts dort spazierenzugehen. Ob sie sich mit jemandem verabredet hatte. Ob sie dort Kundschaft gesucht
habe. Wer sie denn eigentlich sei. Am Ende hatte sie ihnen ihren Namen genannt, und sie hatten sie in Ruhe gelassen.
    Gail schloß die Augen.
    Als sie wenig später erwachte, standen Jack und Lieutenant Cole neben ihrem Bett. Wieder fühlte sie sich verunsichert. War heute wirklich heute oder der Tag vor sechs Monaten? Hatte sie sich alles nur eingebildet? Hatte man sie wirklich überfallen, oder war sie immer noch in den grauenhaften Schlingen jenes letzten Aprilnachmittags gefangen?
    »Wollen Sie uns nicht verraten, was Sie nachts im Park verloren hatten?« fragte der Kommissar. Jack rieb sich die Augen, und Gail sah, daß er geweint hatte.
    »Ich wollte bloß einen Spaziergang machen.« Sie wünschte, ihr würde irgend etwas einfallen, das ihn beruhigen könne, und merkte, wie unglaubwürdig ihre Worte selbst in ihren Ohren klangen. »Ich konnte nicht schlafen, und ich dachte, ein bißchen frische Luft würde mir guttun.«
    »Und da sind Sie um Mitternacht allein durch den Park gegangen - noch dazu an Halloween?«
    »Ich weiß, es war töricht...«
    »Mehr als das, Gail. Es war sehr gefährlich. Sie hatten unwahrscheinliches Glück, daß dieser Kerl Sie nicht umgebracht hat und Sie mit einem blauen Auge und ein paar angeknacksten Rippen davongekommen sind.«
    War das wirklich Glück? »Warum sind Sie hier?« fragte sie laut. Es mußte schon furchtbar spät sein.
    »Einer der Beamten, die Sie vernommen haben, erkannte Ihren Namen wieder und rief mich zu Hause an.«
    »Tut mir leid.«
    »Das sollte es, weiß Gott, aber nicht um meinetwillen.«
    »Ist Jennifer gut nach Hause gekommen?«
    Jack nickte stumm.
    »Jack, würden Sie so gut sein und einen Moment draußen warten?« bat Lieutenant Cole freundlich.

    Jack gehorchte schweigend.
    »Ihm fehlt doch nichts?« Der tranceähnliche Zustand ihres Mannes erschreckte Gail.
    »Er ist ziemlich durcheinander, was ja auch verständlich sein dürfte. Der Anruf der Polizei hat ihn aus dem Schlaf gerissen. Er wußte nicht einmal, daß Sie ausgegangen waren. Was glauben Sie wohl, wie er sich fühlt?« Gail versuchte es sich vorzustellen, antwortete aber nicht. »Gail... gibt es irgendwas, das ich wissen sollte?«
    »Was zum Beispiel?«
    »Keine Ahnung. Oder doch. Vielleicht den wahren Grund für Ihren nächtlichen Spaziergang?«
    »Sie kennen den Grund«, sagte sie und versuchte fieberhaft, einen zu erfinden. »Es gibt keinen besonderen Grund.« Fragend sah sie den Kommissar an. »Darf ich jetzt nach Hause?«
    »Wenn es das ist, was Sie möchten.« Es klang traurig.
    »Ja, genau das möchte ich.«

24
    Sobald sie wieder bei Kräften war, kehrte Gail nach Newark zurück. Ihr Zimmer in der Barton Street 26 war anderweitig vergeben worden, als sie am Morgen nach dem Überfall im Park ausgeblieben war und die Miete für den nächsten Tag nicht bezahlt hatte.
    Gail war nicht erstaunt darüber, sie fühlte sich sogar erleichtert. Sie überlegte, wie wohl der Mann mit den dunklen Locken ihr Verschwinden aufgenommen haben mochte; oder hatte er es vielleicht gar nicht bemerkt?
    Sie ging auf dem kürzesten Weg zur Amelia Street 44. Ob die Polizei auf ihren Anruf hin überhaupt etwas unternommen hatte?

    »Haben Sie ein Zimmer frei?« fragte sie die Hauswirtin, deren graues Haar auch heute bunte Lockenwickler zierten. Die Frau erkannte sie offenbar nicht wieder. Sie bemerkte zwar ihr blaues Auge, sagte aber nichts.
    »Zwölf-fünfzig die Nacht, und Sie müssen im voraus bezahlen.«
    »Ja, ich weiß.«« Gail kramte in ihrer Tasche nach dem Geld und gab der Frau, was sie verlangte. »Wohnt Nick Rogers noch hier?« fragte sie, als die

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