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Lebenslang

Lebenslang

Titel: Lebenslang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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bewegen.«
    Yvonne hatte die Arme an den Körper gelegt, ihr Kopf lag in einer Mulde, sodass sie ihn nicht drehen konnte. Sie schloss die Augen und versuchte, an etwas anderes zu denken. Etwas Schönes. Ihr fiel nichts ein.
    Yvonne litt nicht an Platzangst, aber sie hatte einmal in einem beengenden, oberkörperlangen MRT gelegen, und das war eine Erfahrung gewesen, die sie nicht unbedingt ein zweites Mal machen wollte. Der Lärm war infernalisch gewesen.
    Das CT war humaner, obwohl es mit Röntgenstrahlen arbeitete. Aber das war der Tatsache geschuldet, dass der Fremdkörper in ihrem Kopf metallisch war und in einem Magnetfeld dieser Stärke vermutlich ein tödliches Eigenleben entwickelt hätte.
    Es klackte vernehmlich, ein Gebläse sprang an, und die Liege bewegte sich langsam auf den Ring zu, sodass der Fächerstrahl des Apparates den gesamten Kopf erfassen konnte. Die Prozedur dauerte nicht lange. Nach zehn Minuten war alles vorbei, und Yvonne konnte wieder aufstehen, um sich anzuziehen. Sie setzte sich hinaus auf den Flur und wartete darauf, dass die Tür aufging und der Arzt sie hereinbat, um ihr das Ergebnis mitzuteilen.
    Es war eine Untersuchung, die sie jedes Vierteljahr über sich ergehen ließ. Der letzte Scan lag zwar erst einen Monat zurück, aber da waren ihre Anfälle auch noch nicht so dramatisch gewesen wie der, der sie im Treppenhaus von den Beinen geholt hatte. Sie ahnte, dass das Ergebnis diesmal anders ausfallen würde.
    Ihre Gedächtnisleistung hatte sich in den letzten Monaten verschlechtert. Hinzu kamen Halluzinationen, die sich anfangs durch eine gestörte Geruchswahrnehmung manifestierten. Dann hatte sie Stimmen gehört und Menschen gesehen, die es nicht gab. Das alles war so real gewesen wie der Stuhl, auf dem sie saß. Fast wie Visionen, und sie hatte sich gefragt, ob all die Heiligen und Märtyrer, von denen man ihr früher in der Kirche immer erzählt hatte, einfach nur wie sie eine Kugel im Kopf gehabt hatten.
    Die Monate in der Rehaklinik waren schrecklich gewesen. Glücklicherweise hatte das Sprachzentrum ihres Gehirns einige Zentimeter abseits des Schusskanals gelegen und war somit nicht zerstört worden. Sie hatte also lange und ausgiebig fluchen können, als sie mühsam wieder das Laufen gelernt hatte. Die Feinmotorik war noch länger beeinträchtigt gewesen. Das Essen mit Messer und Gabel war ihr erst nach einem halben Jahr gelungen und bereitete ihr immer noch Schwierigkeiten. Auch heute verzichtete sie auf Fleisch, das klein geschnitten werden musste, und aß am liebsten alles mit einem großen Löffel.
    Nachdem sie die Reha verlassen hatte, war sie noch weiter zur Ergotherapie gegangen. Trotzdem wusste sie, dass ihr Zustand alles andere als befriedigend war.
    Solange diese Kugel sich noch in ihrem Kopf befand, war nichts gut. Und sie ahnte, dass sie sich an einem Scheideweg befand, als die Tür aufging und der Radiologe sie zu sich ins Sprechzimmer bat.
    »Setzen Sie sich bitte«, sagte er und nahm hinter einem Schreibtisch Platz, der wie der ganze Raum alles andere als repräsentativ war. Doch nicht nur darin unterschied er sich von seinen niedergelassenen Kollegen. Yvonne kannte Dr. Baumann schon lange. Seit ihrer Rückkehr aus der Rehaklinik hatte er die Nachsorgeuntersuchungen vorgenommen, denn er war nicht nur Radiologe, sondern auch Neurologe, eine Mischung, die so ungewöhnlich wie selten war.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte er Yvonne, als sie auf dem lederbezogenen Freischwinger Platz genommen hatte. Sie mochte diese Stühle nicht, denn sie ließen in ihr einen leichten Schwindel aufkommen.
    »Beschissen«, gab sie unumwunden zu.
    »Das war Ihr erster Grand-Mal-Anfall, nicht wahr?« Dr. Baumann blätterte in ihrer Krankenakte, die so dick wie das Telefonbuch einer mittleren Kreisstadt war.
    Yvonne nickte.
    »Und Sie nehmen Ihre Medikamente immer noch weiter«, sagte er.
    Yvonne schnaubte leise. »Natürlich. Ohne diese Pillen könnte ich meine Wohnung gar nicht erst verlassen.« An einem großen Leuchtschirm, der hinter Dr. Baumann an der Wand hing, waren Dutzende kleiner Schichtaufnahmen eines Gehirns zu sehen. Ihres Gehirns, wie sie annahm.
    Dr. Baumann folgte ihrem Blick und stand auf. »Das hier«, sagte er und tippte dabei auf einen besonders hellen Punkt inmitten der grauen Wolke, die das Oval ihres Schädels ausfüllte. »Das hier ist die Kugel.«
    »Ihre Lage hat sich nicht verändert«, sagte Yvonne, die sich in den letzten Jahren zu einer Expertin in Sachen

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