Lebenslang
lagen, sondern Messer, Sägen, Zangen und ein kleiner Gasbrenner, wie man ihn zum Flambieren einer Crème brulée benutzte. Mit einem Ruck zog er dem Gefangenen die Kapuze vom Kopf. Dessen Augen waren schreckgeweitet, er atmete schwer durch den Knebel in seinem Mund. Steilberg beugte sich zu Wieland hinab, der nun gedämpfte Schreie von sich gab.
Wie ein Mann, der vor einer kniffligen Aufgabe stand, krempelte Steilberg die Ärmel seines Hemdes hoch. Seine Hand war zwar immer noch bandagiert, aber die Finger waren wieder frei. »Habe ich Ihnen schon gesagt, dass ich Fußball hasse?«, fragte er Yvonne. »Wenn ich nicht von ein paar betrunkenen Hooligans verprügelt worden wäre, hätten wir uns nie getroffen.« Er seufzte, als könne er an diesem misslichen Umstand nun auch nichts mehr ändern. Er nahm ein Messer vom Rollwagen und prüfte die Schärfe der Klinge im Licht.
Wieland warf sich auf seinem Stuhl hin und her. Zwischen den Beinen breitete sich auf seiner Hose ein dunkler Fleck aus.
Steilberg verzog angewidert das Gesicht. Er löste den Knebel.
»Willst du mir noch etwas sagen, bevor ich beginne?«, fragte Steilberg.
Der Mann auf dem Stuhl war ein fettleibiges Wrack. Die wenigen grauen Haare, die er noch hatte, bildeten einen wirren Kranz. Er war unrasiert, und im Mund fehlten ihm fast alle Schneidezähne.
Yvonne fragte sich, ob Steilberg schon mit seinem Werk begonnen hatte, aber sie sah kein Blut, der Mund war nicht geschwollen. Was Wieland schrie, war nur schwer zu verstehen.
»Entschuldige, aber du musst deutlicher sprechen«, sagte Steilberg, als hätte er ein Kind vor sich, das sich erst einmal beruhigen musste.
Wieland schluckte. »Bitte«, wimmerte er. »Tu mir nichts …«
Steilberg zuckte zurück, als hätte er nicht richtig verstanden. »Sag das bitte noch einmal.«
»Bitte. Tu mir nichts.«
Steilberg nahm das Messer und schnitt nach und nach die Knöpfe von Wielands Hemd. Eine schwammig weiße, mit Narben übersäte Brust kam zum Vorschein. »Himmelherrgott, was ist dir denn zugestoßen?«, fragte Steilberg mit gespieltem Entsetzen. »War man nicht nett zu dir im Knast?« Er wandte sich zu Yvonne. »Sie als Polizistin wissen natürlich auch, dass Kindsmörder in der Gefängnishierarchie ganz unten stehen. Meist sitzen sie ihre Zeit in Einzelhaft ab, um sie von den anderen Gefangenen zu isolieren. Das klappt aber nicht immer.«
Steilberg ging um Wieland herum und betrachtete ihn von allen Seiten. Panisch aufgerissene Augen folgten ihm.
»Glauben Sie, dass Ihre Tochter wieder lebendig wird, wenn Sie ihn töten?«
Steilberg sah sie mitleidig an. »Bitte, ist das alles, was Ihnen einfällt, um mich daran zu hindern, dieses Schwein zu tranchieren? Natürlich wird sie nicht davon lebendig, was denken Sie denn? Und bitte fragen Sie mich jetzt nicht, ob meine Tochter dies hier gutheißen würde! Ich tue das nicht für sie. Ich tue das für mich!« Er schlug sich dabei auf die Brust. »Rache befriedigt nicht? Rache lässt nur ein Gefühl der Leere zurück? Ich persönlich glaube das nicht. Aber ich bin gerne bereit, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Erinnern Sie sich noch, was im Obduktionsbericht stand?«
Yvonne schüttelte den Kopf.
»Aber ich. Ich habe ihn auswendig gelernt. Sie haben Julia doch gefunden? Wie können Sie dann noch Mitleid mit diesem Kerl haben?« Er trat gegen den Stuhl, und Wieland wimmerte auf.
»Ich habe kein Mitleid mit dem Mörder Ihrer Tochter«, sagte Yvonne. »Ich habe Mitleid mit Ihnen.«
»Hören Sie auf, Zeit zu schinden.« Er zog Yvonnes Handy aus seiner Hosentasche und hielt es in die Höhe, damit sie es sehen konnte. »Ich weiß, dass Sie jemandem Bescheid gegeben haben, wo Sie sich befinden. Über kurz oder lang wird die Polizei hier sein. Und bis dahin will ich meine Arbeit erledigt haben.«
Er schlug Wieland mit der Faust ins Gesicht, sodass der Kopf nach hinten geschleudert wurde.
»Hören Sie auf!«, schrie Yvonne.
Steilberg hielt inne und ließ gereizt die Schultern hängen. Dann bückte er sich nach dem Knebel, den er auf den Boden geworfen hatte, und stopfte ihn ihr in den Mund. Er schmeckte nach Öl und Erbrochenem.
»Sie schließen jetzt besser die Augen«, sagte er und schloss sanft ihre Lider, als wäre sie gestorben.
Dann begann er mit seinem Werk. Wieland stieß unmenschliche Schreie aus. Laute, von denen Yvonne nicht gewusst hatte, dass es sie gab. Und sie öffnete ihre Augen tatsächlich nicht. Dann hörte sie einen lauten
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