Lebenslauf zweiter Absatz
mehr wohl freute ihn, daß ich fragte, warum wir trotz der Aussichtslosigkeit zu Jacques Staroski gingen.
Um ihn nicht zu kränken, sagte mein Vater. Wenn wir ihn auslassen, heißt das, er zählt nicht. Das würde jeden kränken.
Natürlich haben mein Vater und ich den Nachtwächter gegrüßt, als wir ihn hinter seiner Hütte bei den Kaninchen trafen, und natürlich haben wir uns von ihm verabschiedet, und natürlich hat mein Vater anstandshalber auch seinen Pumpversuch gemacht, aber ob ein Wort davon an Staroskis Ohr gedrungen ist, bleibt ungewiß, denn da war kein Platz für andere Wörter, wenn Jacques Staroski sprach.
Bei Maaß & Schlübbow können sie sich gratulieren, sagte er, denn ohne mich müßten sie der Vereinigung Konkursia beitreten. Wenn ich nicht das Geräusch gehört hätte wie von einer Kaspilibelle. Dieses Geräusch zählt zu jenen, welche wir leicht überhören, wenn wir nicht darauf trainiert sind. Wer das Geräusch der Kaspilibelle nicht kennt, den nimmt keine Wach- und Schließgesellschaft. Weil das Silas-Plattner-Schweißgerät einen ähnlichen Ton abgibt. Es ist zur Zeit als Einbruchswerkzeug führend. Letzte Nacht, ich hatte gerade die zweite Uhr gestochen, höre ich die Kaspilibelle, und ich denke automatisch: Silas-Plattner-Gerät! Ich sehe automatisch auf die Uhr und mach die Clirmont TTS 38 schußklar, aber dann denke ich: Erst mal sehen! Ich sehe zwei über Konstruktionszeichnungen gebeugt, ich sehe, es sind dieUnterlagen für den Super Speed Steamer der Eriks-Klasse, und der eine von den zweien will da gerade etwas hineinzeichnen. Ich sage: Der Mann hinter diesem Revolver ist Staroski von der W und S, also keine Fisimatenten! Stellt sich heraus, sie wollten die Unterlagen fälschen, damit die Eriks-Klasse und natürlich auch die Firma Maaß & Schlübbow auf Schlingerkurs geraten. – So, so, sage ich, und was ist mit den Menschen? Menschenleben werden nicht gefährdet, sagen sie, und wie ich sie ziehen lasse, sagen sie: Vielen Dank auch, Herr Staroski!
Und wir sagten auch: Vielen Dank!, und vor dem Haus von Jacques Staroski sagte mein Vater: Es gibt keine Kaspilibellen, und es gibt kein Silas-Plattner-Gerät, und es gibt keinen Clirmont TTS 38, und es gibt keine Super Speed Steamer der Eriks-Klasse, und wahrscheinlich gibt es nicht einmal die Firma Maaß & Schlübbow.
Es war klein von meinem Vater, mir das zu sagen, aber mit den nächsten Worten gab er sich seine Größe zurück: Ich weiß, du denkst, aber es gibt Jacques Staroski und seine Geschichten! – Das stimmt schon, nur gibt es auch Frau Persokeit und ein Geld, das wir nicht haben.
Also zu Frau Schwattner. Frau Schwattner rief uns über die Gartenpforte zu, sie hätte uns gern etwas gegeben, und ihr Mann hätte sicher keine Einwände gehabt. Aber ihr Mann war auf See, und sie hatte versprochen, während seiner Abwesenheit weder von Geld noch Gut noch sonst irgend etwas herauszugeben an Feind oder Freund. Frau Schwattner stützte die Hand in die Hüfte, wie man es auf bestimmten Bildern sieht, und mein Vater schien eine frische Antwort zu wissen. In meinen Augen muß die Erwartung geglänzt haben, denn mein Vaterstrich die frische Antwort. Er sagte nur: Da mag Ihr Mann dem blanken Hans wohl ruhig trutzen!, und wir gingen weiter.
Zu Frau Schleymann und Frau Birkemann. Als wir zugezogen waren, lebte der Mann von Frau Birkemann noch, und bei den Nachbarn hießen diese Nachbarn nur Frau Schley und Frau Birke und ihr Mann. Diese Bezeichnung gab keine Klarheit, ob der Mann zu Frau Birkemann oder zu beiden Frauen gehörte, und der Volksmund sprach mit Absicht so, und die Anzeige vom Tod des Herrn Birkemann sprach dem Volk zum Munde. Denn da hieß es, und das hat eine Sensation gemacht: Felix Birkemann ist von uns gegangen. In trauerndem Gedenken Maria Birkemann und Roswitha Schleymann.
Aber als der Mann von Frau Birke und vielleicht auch von Frau Schley nicht mehr war, zog Frau Schley in die Kammer, welche vorher die Kammer von Frau Birke und ihrem Mann gewesen war.
So verhielt sich das also, und diese zweite Sensation machte unsere Moorsiedlung beben, als sei die Straßenbahn von Altona-Mottenburg an ihre Grenzen vorgerückt.
Während wir von Frau Schwattner fortgingen und zu Frau Schley und Frau Birke hin, fragte ich mich, ob mein Vater den Mut wohl aufbrächte, das Grundstück zu betreten, auf dem so unordentliche Verhältnisse herrschten. Auf das Wort unordentlich schienen sich die Erwachsenen geeinigt zu haben, und so
Weitere Kostenlose Bücher