Lebenslauf zweiter Absatz
brachten all diese Geschäfte aus dem Geschäft. Irgendwo in diesem Handel war ich verlorengegangen, und ich verstand es nicht. Und ich mochte es nicht. Und ich konnte gar nichts machen.
Ich konnte nur zurück in die Bäckerschlange treten, wenn ich die von mir erschlossenen Beziehungen in Beziehungen zueinander gebracht haben würde.
Ich konnte am Ende der Kette verstohlen ein Buch über den Bäckertisch schieben und wispern, es solle, auch wenn man mich weiterhin in der Schlange sehe, beim Brötchenbeutel am dritten Nagel bleiben, und dann würde ich in die alte Ordnung fallen.
Etwas anderes blieb mir nicht. Unmöglich, dem Bäcker meinen Handel zu erklären und zu hoffen, das werde ihn bewegen, einen weiteren Haken ins Holz zu schlagen. Ich wußte, was er mir nach meiner Geschichte sagen würde. Ja, ja, Herr Farßmann, würde er sagen, so ist das, wenn man nichts zu bieten hat. Grausame Welt, aber keiner von uns beiden hat sie gemacht. Nun muß jeder sehen.
Und auch die Zuständige Person, die vor meinen Augen gerade mein letztes Brötchen fraß, würde sich, gesetzt, sie hörte mir überhaupt zu, kaum anders vernehmen lassen. Wahrscheinlich würde sie sagen: Ich darfdoch mal? und mir dann mit schönem Schwung in den Hintern treten.
Dachte ich, und es war schon Grimm, mit dem ich zusah, wie die Zuständige Person die letzten Krümel meines letzten Brötchens aus den Mundwinkeln leckte, aber der Grimm wandelte sich in Giftiges, als die Person Anstalten machte, unser Treffen zu beenden. Sie erhob sich und hatte die Augen dabei auf der Tür.
Da sagte ich: Nicht den Fahrer schicken, bitte. Der Bäckermeister Schwint ist eigen. Und stolz ist er auf seine Frau. Sie müssen die Schrippen selber vom Nagel holen, und wenn Sie ab und an in den Laden gehen und Frau Schwint ein artiges Komplimentchen machen, das hat der Meister gern. Ein-, zweimal die Woche einen Scherz ins Ohr geflüstert, Sie werden sehen, wie das den Bäcker freut!
Die Zuständige Person schien es nicht gewohnt zu sein, beraten zu werden, und daß eine Artigkeit aus ihrem Munde offene Frauenohren fand, war ihr wohl übergeläufig. Sie erhob sich, tat einige Münzen in meinen Brötchenbeutel und gab ihn mir mit einem Blick, der eine Anweisung war. Dann schob sie mich in Richtung Tür, wobei sie nicht zu sagen vergaß: Ich darf doch mal?
Seither stehe ich wieder beim Bäcker Schwint in der Schlange, aber ich beschränke meinen Einkauf auf zwei Brötchen und gelegentlich ein halbes Brot, und die etwas taube Frau Lörke bringt es fast um, daß ich ihr nicht verrate, warum diese Änderung.
Herr Schwint lebt noch auf freiem Fuß, und die Zuständige Person steigt noch wie von hohem Roß, wenn sie aus dem Dienstwagen steigt, um durch ein Tor auf den Bäckerhof zu schreiten.
Zweimal hat es sich schon ergeben, daß ich dabei war, wenn der stattliche Mann in den Laden kam, um der Frau Schwint etwas ins Ohr zu sagen, was ihr dann beide Ohren rötete. Es hat sich in beiden Fällen so gefügt, daß der Bäcker in der Nähe war, und von seinen mächtigen Rückenmuskeln habe ich abgelesen, wie sehr er lauschte.
Wenn ich dann beim Frühstück sitze, beiße ich in meine Schrippen, als könnten es von dieser Art die letzten sein. Denn manchmal, so denke ich, trifft man noch auf eine Tomate, die wie eine Tomate schmeckt. Manchmal riecht eine Gurke herb und süß, wie die Gurken einstens rochen. Manchmal sehen Erdbeeren nicht nur aus, als wären sie Erdbeeren. Manchmal sind Brötchen, was Brötchen einmal waren. Und manchmal ist Eifersucht noch so mörderisch, wie es sonst nur die alten Geschichten erzählen.
BRONZEZEIT
Für Stephan Hermlin
Vielleicht greift der Name etwas hoch, aber wir nennen das Grün zwischen Goldfischteich und Tischtennisplatte unseren Erholungspark. Drei Bänke stehen dort mit den Rückenlehnen zum Betrieb, und über den Werkszaun geht der Blick zu einem stillgelegten Gasometer. Ich sitze gern in diesem Winkel, denn in manchen Mittagspausen habe ich ihn für mich allein. Zwar zerrt die Arbeit nicht so an mir, daß ich zu Atem kommen müßte, doch halte ich es gut einmal ohne die Gesellschaft meiner Kolleginnen aus.
Wie sich aber unser Werkleiter neben mir niederließ, wünschte ich mich in ihren Kreis zurück, und den Augenblick verwünschte ich erneut, in dem ich mich auf die Kurvertretung für den Hauptbuchhalter eingelassen hatte. Mehrmals nämlich war mir seither vom Direktor Vortrag über jene Rechtskonstruktion gehalten worden,
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