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Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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ausgerechnet den Großen Reiter zur Schmelze zu karren …
    Als der Kollege Scharrbowski wissen wollte, wann zum Teufel der eigentliche und richtige Hauptbuchhalter aus dem Sanatorium zu erwarten sei, ahnte mir, daß ich ihm mit meinen Bedenken nicht lag.
    In vierzehn Tagen, sagte ich und wußte nicht, warum mich die Weite der Spanne Zeit so fröhlich stimmte.
    Dann müssen die Brüder vom Tiefbau ran, sprach Scharrbowski, denn wer weiß, wen der anonyme Patriot inzwischen alarmiert. Die haben den Gaul schließlich jahrelang versteckt gehabt, nun sollen sie sehen. Wie wäre es, wenn wir ihnen folgenden Hinweis geben: Früher hat man Pferdediebe aufgehängt, aber da wir Kollegen sind, werden wir mit Nachbarschaftshilfe und einem Tieflader zufrieden sein.
    Am besten sei es, sagte mein einfallsreicher Direktor, ich ginge gleich nach nebenan und führte eine kameradschaftlicheAussprache von Buchhalter zu Buchhalter herbei.
    Ich war zu der Antwort versucht, das solle dem eigentlichen und richtigen Hauptbuchhalter vorbehalten bleiben, aber ich fand eine Entgegnung, die weniger kleinlich war. Das wird nichts bringen, sagte ich, denn die Nachbarn haben einen ordnungsgemäßen Schrottschein von uns, aber vor allem haben sie, Sie werden sich erinnern, den gleichen Auftrag wie wir, weil er republiksweit gilt: Sie müssen sich, ähnlich uns, geschichtlich erforschen, und wenn sie erst beim Aufstöbern von menschengebundenen Erinnerungen sind, fällt einem Schaufelveteranen womöglich der Große Reiter ein, und wir finden uns in der Zeitung als Erbeschänder wieder.
    Dann muß es ganz von oben gehen! sagte Scharrbowski und entwarf noch am Telefon einen Brief, den wir gemeinsam an den Minister für Außenhandel und den Minister für Finanzen richten sollten.
    Himmlischer Vater, dachte ich, wenn das bei Jäger, Weigel und Woltermann herauskommt, dann bleibt die Tür für immer zu, und kein Wort aus Kindermund wird mir noch überliefert werden. Oder meine Brigade wird, wenn ich erst wieder bei ihr bin, zu jedem Quark von mir wissen wollen, wie wir auf Ministerebene die Dinge denn so sähen.
    Ich sagte zu meinem Direktor: Außenhandel und Finanzen, schön, und an den eigenen schreiben wir nicht?
    An den natürlich auch, antwortete er.
    Und nicht an den für Metallurgie und Bodenschätze?
    Klar, auch an den.
    Und was ist mit der Volksbildung? fragte ich, und er wollte zuerst wissen, wieso Volksbildung, aber dann fielihm von selber ein, wie weitreichend die Volksbildung bei uns ist, und er sagte: Die Volksbildung, selbstverständlich.
    Bliebe noch der Minister für Kultur.
    Der leuchtete dem Direktor nun gar nicht ein, und ich mußte daran erinnern, daß der Große Reiter als verschollenes Kunstwerk galt.
    Natürlich, sagte ich, weiß ich nicht sehr gut, was alles hineinfällt in dieses Ministerium, aber auch als Laie kann ich mir einen Zusammenhang zwischen ihm und verschwundenen Kunstwerken vorstellen. Womöglich haben sie dort mit Bewußtseinsfragen zu tun, und selbst für mich als Parteilosen steht außer Zweifel, daß der halbierte und auch noch preußische Reitersmann in unserem Garten eine Bewußtseinsfrage ist.
    Nicht, wenn wir ihn zu exportfähigen Medaillen stanzen, sagte Werkleiter Scharrbowski, und außerdem reicht die Entscheidung von Finanz und Metallurgie. Denn letzten Endes, mein Lieber, bestimmt das materielle Sein das Bewußtsein.
    Nun war selbst mir dieser Leitsatz seit längerem bekannt, aber ich hatte nicht gewußt, daß man ihn auch sprechen konnte, als laute er: Das materielle Sein ist der Vorgesetzte und verantwortliche Leiter des Bewußtseins und damit basta!
    Ich preßte meinen Rücken fest an die Lehne des Stuhls vom Hauptbuchhalter und erwiderte: Wenn es derart grundsätzlich wird, muß ich mich meiner Befugnis entsinnen. Schlage vor, Brief, den Großen Reiter betreffend, geht gleich in höchsten Bereich. Sollen die dort über unser Verwahrgut entscheiden.
    Die Geräusche im Hörer zeigten an, wie sehr meinDirektor mit einem bösen Anfall von Zentaur-Syndrom zu kämpfen hatte, aber in der Bezeichnung Verwahrgut steckte ein Ausweg für ihn, und er hatte gewiß keine Schwierigkeit, sich als Verfasser einer Meldung zu sehen, die in höchsten Bereichen nur Freude stiften konnte.
    So wird es gemacht, sagte er, und daß Ordunez nun bald an die Exportfront eilt, scheint mir so gut wie beschlossen.
    Vielleicht nur, um das letzte Won zu haben, äußerte ich die Ansicht, der Tag, an dem der VEB Ordunez begann, mit der

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