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Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Fach nach Arbeit. Ähnliches hätten neueste Maschinen womöglich einmal auch ohne den famosen Beitritt bewirkt; dank seiner geschah es mit reißender Wucht.
    Ohne Job zu sein galt bis dahin als stark verwunderlich, obgleich nicht als persönliche Schande. Dem empfindsamen Staat galt es als gesellschaftliche Schande. Er schämte sich des Notstands, weil der ihm ein überwundener Teil überwundener Zeiten war. Oder Zubehör verkommener Gegenwelten. Nach dem Hinschied des heiklen Gemeinwesens verlor sich mit den meisten seiner Gepflogenheiten auch der Brauch, Leute wie Jan G. innerhalb des Werks umzusetzen. Künftig setzte man Überzählige auf die Straße. Jener Altmeister hatte leicht zynisch gefragt, ob unsere Straße denn schlecht sei. Schlecht ist diese nicht, sagte Jan G., sie ist nur nicht meine.
    Er wurde etliches los in den Wechseln der Wende. Die Frau, die Kinder und einige Skrupel. Doch hielt er den deutschen Namen hoch, indem er tat, was Leute mit deutschen Namen seltsam scheuten. Er stach Asparagus wie ein auswärtiger Wanderstecher und verdingte sich gegen Bares als Fliegenfänger und Beetbelüfter. Zeitweilig im Teppichhandel wirkend, konnte er einem Iraner einen Perser verkaufen. Der Gewinn ging drauf, weil er ihn beim Eskimo an der Ecke in einen Kühlschrank polarischer Herkunft steckte. Jan G. musste man von Globalisierung nichts sagen.
    Die Reformen festigten ihn nicht. Weder die derOrthographie noch die der gehobenen Sozialbalance lag ihm sonderlich am Herzen. Anfangs sparte er zur Vereinfachung den Bindestrich ein und überschrieb seine Bewerbungen mit »Stellung Suche«. Worauf ihm wertkonservative Arbeitgeber weder Arbeit noch Antwort gaben. Mit führenden Wörtern der Zeit: Neben nur gefühlten Lasten gab es solche, die er nachhaltig spürte. In einem Brief an seine entfernte Frau geriet ihm der Ausdruck »Hartz vierteilen« in die Feder. Nach Ansicht der Gemahlin hatte ihm ein Wiener Gelehrter dabei den Griffel geführt.
    Der Versuchung, die Einstmalige an Zeiten zu erinnern, in denen so lose Rede zu allerlei Neckerei geführt haben würde, widerstand Jan G. Vielmehr überlegte er, ob sich sein altes Kennertum mit einer neuen Beweglichkeit verbinden lasse. Er packte Werkzeug in den Rucksack, der eine letzte Geburtstagsgabe seiner Frau und wohl auch ihr Wink mit dem Rucksack gewesen war, suchte und fand seinen gegenstandslosen Betriebsausweis, entwarf einen gediegenen Text des Inhalts, er sei ein erfahrener Mechaniker, der technisches Ungemach sofort vor Ort beheben könne, druckte ihn auf gelblichem Karton kunstvoll aus, schob das Halbdokument in eine Klarsichthülle und begab sich auf die Suche nach bezahlter Tätigkeit.
    Einzelheiten liegen vor; hier genüge, es habe wenig gebracht. Zumal der mobile Scherenschleifer sein Papier bereits beim zweiten Versuch postwendend zurückerhielt. Durch dieselbe Briefklappe, durch die er es eingereicht hatte, nur ohne Klarsichthülle und ohne einen Mucks hinter der Wohnungstür.
    Wegen dieser und ähnlicher Erfahrungen stand er jetzt mit dem Rücken zum Rasen, auf dem Großes statthabensollte. Jetzt war er Ordner, der verhindern musste, dass blindwütige Flitzer von der Tribüne her die wirbelnden Formationen der Kicker störten. Jetzt wusste Jan G., er durfte einem Spiel beiwohnen, von dem er bis dahin nur träumen konnte. Zugleich war ihm jetzt bekannt, er werde weiterhin träumen müssen, weil er nichts sehen würde.
    Märchen und andere Literatur hatten ihn gelehrt, der Mensch verkaufe, gebot es die Lage, seine Seele, sein Erstgeborenes, sein Lachen, seinen Schatten und sich selbst mit Haut und Haar. Seit der Endspielgeschichte, die nicht erst mit dem Anpfiff und nicht erst mit den Hymnen und nicht erst am Finaltag begann, wusste Jan G., auch unschuldige Vergnügungen ließen sich zu Markte tragen. Zugleich ahnte er, viel Gewinn werde aus dem Handel nicht springen. Obwohl er das Große Los gezogen und einen Platz unweit der Tunnelmündung bekommen hatte, in der wenige Minuten vor dem Anstoß die Helden der nächsten neunzig Minuten erschienen waren. Wenn nicht gar die verlängerten Helden der nächsten einhundertzwanzig Minuten. Wenn nicht gar die überlangen Helden der nächsten einhundertzwanzig Minuten plus etlicher Minuten eines Elfmeterschießens.
    Was immer auch noch folgen würde, er hatte seine Heroen gesehen. Mann für Mann und unglaublich in der Nähe. Hand in Hand mit kindlichen Erstkickern, angeführt vom integersten aller Schiedsrichter

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