Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
sowie von dessen Assistenten und von allerhöchster Offizialität, waren die Besten der Besten auf dem Weg in die Arena, in der die Allerbesten ermittelt werden sollten, an ihm vorbeigezogen. Seitlings vorbei und auf ihn, der, den Instruktionen getreu, unverwandt die Zuschauer in seinemTribünensektor im Auge hatte, nicht achtend. Gerade noch sichtbar am äußersten Rand seines Blickfelds liefen die Götter auf. Er pries des Menschen durchdachte Natur, die ihm ganz nach Zeiss- und Nikonart ermöglichte, seinen Sichtkreis von größter Fisheyeweite bis zur vergrößernden Telepunktenge zu variieren. Obwohl ihm diese Beweglichkeit, die man Zoomen nannte, im Finale nicht helfen konnte, da alles, was zählte, hinter seinem Rücken geschah.
    Auch nach vorn durfte Jan G. die optische Mobilität nur eingeschränkt nutzen. Sie war auf den Tribünenabschnitt begrenzt, als dessen so gut wie vereidigter Aufseher er galt. Wohl hatte er nicht schwören müssen, doch an Beschwörungen fehlte es nicht. Der Ruf des Stadions, des Clubs, der Stadt, des Landes, des Verbandes, ja der Sportart überhaupt stehe mit dem Spiel auf dem Spiel. Dafür, dass sich an das Finale nicht ein Fiasko der Arenaeigner knüpfe, hätten die Ordner durch äußerste Dreingabe zu sorgen. In ihre Hände sei der Fußball als solcher gegeben. Der Fußball nicht nur der aktuellen Generation, sondern jener der älteren ebenso wie der jüngeren. Fritz Walter und Helmut Rahn schauten auf sie herab, Seeler und Netzer sähen ihnen kritisch zu, die Ehrenbegleitjugend blicke lernfreudig auf zu ihnen.
    Wie alle Welt wisse, wolle die Fußballwelt im folgenden Jahr ihren Meister in diesem Lande und, freudeschönergötterfunke, neben anderen Austragungsorten auch in dieser Kampfstätte ermitteln. Ob sie es wirklich tue, hänge vom fehlerfreien Verlauf des jetzigen Treffens ab, also von der Bereitschaft der Damen und Herren Ordner, jedem Störenfried und jeder Störenfriedin mit aller Macht in den Hintern zu treten.
    Recht eigentlich werde das nicht von ihnen verlangt. Schon gar nicht mit solchen Worten. Im Gegenteil, sie sollten durch ihre bloße Anwesenheit allenfalls eine leise Drohung und keinesfalls eine laute Bedrohung darstellen. Sie müssten am Rasenrand stehen, wie im unvergessenen
Paten
der Vetter des Kronzeugen im Gerichtssaal gesessen habe. Wortlos, mit brennenden sizilianischen Augen. Ähnlich wie der Consigliere der Corleones den Verwandten des aussagebereiten Mafia-Killers zwecks dessen Erinnerung an die Omertà herbeizuschaffen wusste, hatte der gastgebende Verein die Zahl der Stadionordner so erhöht, dass sie, allen Störauftritten verstörter Störenfriede vorbeugend, wenn nicht Schulter an Schulter, so doch Armspanne für Armspanne das Spielfeld säumten. Rücken für Rücken dem Spielfeld zu.
    Die Qualität der Schutzleute habe man durch Auslese gesteigert, hörten die Schutzleute. Da ihre wichtigste Tugend die Besonnenheit sei, gleiche der Wert ihrer Kette um den Rasen dem Wert der Perlen auf dem Rasen. Diese Taxierung spiegle sich weniger in Gehaltslisten wider als vielmehr im Wohlwollen des Vereinsvorstands. Der wisse eine Aufsicht zu schätzen, die ihre Knochen hinhalte, damit die Spieler die ihren ungestört ihren Gegenspielern hinhalten könnten. Hoch, sehr hoch gälten der Leitung gereifte Menschen, welche unreife Menschen an Taten hinderten, die letztlich Untaten waren.
    Dem werde Rechnung getragen. Eingedenk ihres geistigen Verlusts, der mit ihrer körperlichen Präsenz einhergehe, werde allen Ordnern kurz nach dem Match je ein Datenträger überreicht, auf dem das von ihnen halb versäumte, weil mit ganzer Hingabe durch sie geschützte Ereignis mit hochtechnischen Mitteln festgehalten sei.Dem aufgezeichneten Spiel könnten sie entnehmen, was ihnen im Dienst an ihm entgehen musste. Kein Ersatz, gewiss, angleichender Ausgleich bestenfalls, ein singuläres Dokument nicht minder. In Ton, Bild, Farbe und Bewegung werde das Geschehen überliefert, dem die Ordnungskräfte von allen in der Arena Anwesenden – Spieler und Unparteiische ausgenommen – seelisch und räumlich am nächsten gewesen seien. So nahe wie möglich und so fern wie möglich zugleich.
    Da die Kameras faktisch keine toten Winkel kennten, könne das komplette Sicherheitskorps auf dem Dokument digital angetroffen werden. Als elliptisches Ganzes aus der Vogelperspektive, bei Einwürfen und Eckstößen in Nahaufnahmen einzelner Schutzkettenglieder und in gruppenstarken Segmenten

Weitere Kostenlose Bücher