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Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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hinter dem einen wie dem anderen Tor. Keineswegs würden die Abgebildeten ausschließlich mit dem Rücken zu den Kameraobjektiven zu sehen sein, sondern häufig mit der Nase zu diesen.
    Was zusätzlichen Service ermögliche. Jede Ordnerin, jeder Ordner erhalte eine auf sie oder ihn zugeschnittene Kopie, die ihre beziehungsweise seine Großaufnahme enthalte. Es seien Unikate, da nur das jeweilige Exemplar über den gemeinsamen Ereignisverlauf hinaus das Extra biete. Ein herauskopierbares Bild, das ebenso in Kabinenspinde wie in Spinnstuben passe und für Erkennungsszenen im Kreis der Familie oder im Kreis der heimischen Fußballfamilie sorgen werde. Ein Souvenir, das jede und jeden an einen ohnedies unvergesslichen Abend erinnere, an dem sie oder er per persönlichen Verzicht zur Gemeinschaft beigetragen habe.
    Obwohl geübt, bei Lobpreis nach dem Preisschild zu spähen, fand Jan G. auf Anhieb keines. Dieser Bonusschien ohne Malus auszukommen. Kein Danaer in Sicht. Was freilich genau jenem Umstand entsprach, dem die Krieger bei Homer ihren Zutritt zu Troja verdankten. Nur dass es beim jetzigen Finale nicht um die schöne Helena ging, sondern um ein Geld, das dem in seiner Halbheit hässlichen Job halbwegs entsprach.
    Jan G. sah den Spiele-Vermarktern diese Relation nach, da es die Gleichung
Je hässlicher die Arbeit, umso schöner der Lohn
nirgendwo gab. Im Gegenteil, dachte er und nahm sich vor, es später zu bedenken. Im Augenblick lag die Frage näher, warum die Platzeigner über das Entgelt hinaus mehr als nötig versprochen hatten. Die Antwort, es könne am Sportsgeist von Sportveranstaltern liegen, verscheuchte er wie eine lästige Fliege. Videos kosteten Geld, Spezialaufnahmen schon gar. Verkauften sie sich nicht, kosteten sie mehr, als ihre Herstellung gekostet hatte. Verschenkte man sie, verschenkte man Geld. Wer auf der weltweiten Welt tat das schon?
    Da die Stadionbetreiber zumeist unfromme Kerle waren, würde ihnen ein Lohn kaum genügen, der nicht edelmetallen klang, bestenfalls aus der Kehle drang und nicht einmal umstandslos durch die Gurgel gejagt werden konnte. Andererseits schlugen die silbrigen Scheiben selbst dann nur mäßig zu Buch, wenn die Einzeleinblendung der Wächter als kostentreibender Faktor zählte. Schließlich stand in mindestens hundert Ordner-Fällen, multipliziert mit den Häuptern der Lieben der Ordner, geldwertes Wohlwollen zu erwarten.
    Mann o Mann, bei der Bewerbung auch nur ein einziger Ton in dieser Tonart, herrschte Jan G. sich an, und du wärest gar nicht erst auf den Endspielplatz gekommen. Jedenfalls nicht als Ordner. Weil sie dich nicht genommenhätten und weil dir das Geld, das du heute verdienen willst, da noch spürbarer fehlte. Selbst dessen Besitz hätte dir zu keinem Billett verholfen. Sieh dich nicht um, das ist untersagt, sieh nur einmal, indem du die Nase hebst und die Augen in deiner Aufsichtsschneise lässt, die Ränge hinauf. Sie sind besetzt bis unters neue Dach. Ausverkauft, lautet der frohe Bescheid. Sogar die Schwarzhändler sollen ausverkauft sein.
    Heute, dachte Jan G., bist du wie der Künstler oder wie der Rasenkünstler, den sie über seine Lust an seinen Künsten hinaus auch noch bezahlen. Sagen wir, da deine Augen halb aus dem Spiel sind, für die halbe Lust, den halben Genuss. Vermutlich ließe sich bei entsprechendem Honorar und der Garantie, dass der Vorstand dadurch eure unverminderte Aufmerksamkeit erwürbe, auch euer Gehör einschränken. Ohne Original-Stadion-Ton liefe es auf weiteren schweren Verlust hinaus. Selbst wenn Miniradios erlaubt wären, die euch sagten, was sportlich Sache sei. Denke dir, Horror, die Arena ohne das Gejohle des Publikums, ohne Flüche und Wehgeschrei der Ballartisten, ohne ihr Räuspern und Spucken. Doch sind das müßige Überlegungen, da du so wenig einen Reporter hören wie einen der Kämpfer sehen wirst. Du darfst das eine und auch das andere nicht. Beides ist strikt verboten.
    Herrschaften, hatte der Instrukteur gesagt, auch wenn man Sie kaum für das Unwiederbringliche entschädigen kann, honorieren wir Ihre Leistung doch gut. Im Gegenzug sollen Sie all Ihre Sinne ausschließlich für die Tribüne beisammenhaben. Stecken Sie kein Kleingerät in das von uns gemietete Ohr. Halten Sie es frei für nur das eine. Halten Sie es offen, um etwaige Drohlaute sogleich orten zu können. Benutzen Sie weder Spieglein noch verspiegelteBrillen, in denen sich auf augenmerkmindernde Weise das Spielgeschehen bricht. Ebenso

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