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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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gewesen, die Krankheit hatte sie nicht netter werden lassen, und obwohl sie jetzt religiös war, mangelte es ihr an christlicher Barmherzigkeit. Sie konnte in einzelnen Dingen freundlich sein, aber nie im Allgemeinen. Mum war zu allen nett gewesen, das hatte einen mit ihr versöhnt, auch wenn sie sich dumm verhielt – mit dem Mann-der-vor-Gary-kam oder mit Gary selbst –, sie vergaß nie, nett zu sein. Aber auch Ms MacDonald hatte etwas Versöhnliches – sie war gut zu Reggie, und sie liebte ihren kleinen Hund, und diese zwei Dinge bedeuteten eine Menge für Reggie.
    Reggie meinte, dass Ms MacDonald sich glücklich schätzen konnte, weil sie viel Zeit hatte, um sich an die Tatsache zu gewöhnen, dass sie starb. Reggie gefiel die Vorstellung nicht, dass man so vergnügt, wie man nur sein konnte, herumlief und im nächsten Augenblick einfach nicht mehr existierte. Aus einem Zimmer gehen, in ein Taxi laufen.
    In das kühle blaue Wasser eines Pools springen und nie wieder auftauchen. Nada y pues nada.
     
    »Haben Sie mit vielen Mädchen wegen dieses Jobs gesprochen?«, fragte Reggie Dr. Hunter, und sie sagte, »Mit jeder Menge«, und Reggie sagte, »Sie sind eine schlechte Lügnerin, Dr. H.«, und Dr. Hunter wurde rot und lachte und sagte, »Das stimmt. Ich weiß. Ich kann nicht einmal Lügen spielen. Aber was dich angeht, hatte ich ein gutes Gefühl«, fügte sie hinzu, und Reggie sagte: »Seinen Gefühlen soll man immer trauen, Dr. H.« Das glaubte Reggie nicht wirklich, weil ihre Mutter ihren Gefühlen gefolgt war, als sie mit Gary in den Urlaub fuhr, und man schaue sich nur an, was dann passiert war. Und Billys Gefühle führten ihn nur selten an einen guten Ort. Er mochte ein Wicht sein, aber er war ein böser Wicht.
    »Sag Jo zu mir«, sagte Dr. Hunter.
     
    Dr. Hunter sagte, dass sie eigentlich nicht wieder hatte arbeiten wollen, und wenn es nach ihr ginge, würde sie das Haus nie verlassen.
    Reggie fragte, warum es nicht nach ihr ging. Also, »Neils« Geschäfte steckten »in der Bredouille«, erklärte Dr. Hunter. (Er war »im Stich« gelassen worden, und »etwas hatte nicht geklappt«.) Wann immer sie über Mr. Hunters großes Geschäft sprach, kniff Dr. Hunter angestrengt die Augen zusammen, als versuchte sie, die Einzelheiten von etwas weit Entferntem zu erkennen.
    Wenn sie in der Praxis war, rief Dr. Hunter ständig zu Hause an, um sich zu vergewissern, dass es dem Baby gutging. Dr. Hunter sprach gern mit ihm, und sie führte lange einseitige Gespräche, während es versuchte, das Telefon zu essen. Reggie hörte, wie Dr. Hunter sagte, »Hallo, Goldschatz, hast du einen schönen Tag?«, und: »Mummy kommt bald nach Hause, sei lieb zu Reggie.« Oder sie rezitierte Gedichtzeilen und Kinderreime, sie schien Hunderte zu kennen und platzte plötzlich mit »Diddle, diddle, Dickerchen, mein Sohn John« oder »Georgie Porgie Pudding und Pastete« heraus. Sie wusste sehr viel sehr Englisches, das Reggie fremd war, die mit »Katie Bairdie hatte eine Kuh« und »Ein nettes kleines Mädel, ein fröhliches kleines Mädel war die hübsche kleine Jeannie McCall« aufgewachsen war.
    Schlief das Baby, wenn sie anrief, bat Dr. Hunter Reggie, den Hund ans Telefon zu holen. (»Ich habe vergessen, etwas zu erwähnen«, sagte Dr. Hunter am Ende des »Vorstellungsgesprächs«, und Reggie dachte, oje, das Baby hat zwei Köpfe, das Haus steht am Rand einer Klippe, ihr Mann ist ein Verrückter, aber Dr. Hunter sagte: »Wir haben einen Hund. Magst du Hunde?« – »Total. Ich liebe Hunde. Wirklich. Ich schwör’s.«)
    Obwohl der Hund nicht sprechen konnte, schien er das Konzept des Telefonierens besser zu verstehen als das Baby (»Hallo, Mäuschen, wie geht’s meinem prächtigen Mädchen?«), und er horchte aufmerksam auf Dr. Hunters Stimme, während Reggie ihm das Telefon ans Ohr hielt.
    Reggie war beunruhigt, als sie Sadie zum ersten Mal begegnete – einer riesigen Schäferhündin, die aussah, als sollte sie eine Baustelle bewachen. »Neil hat sich Sorgen gemacht, wie der Hund reagieren würde, wenn das Baby da wäre«, sagte Dr. Hunter. »Aber ich würde ihr mein Leben anvertrauen und das Leben des Babys. Ich kenne Sadie länger als sonst irgendjemand außer Neil. Als Kind hatte ich einen Hund, aber er ist gestorben, und mein Vater wollte keinen mehr. Jetzt ist er auch tot, da sieht man mal wieder.«
    Reggie wusste nicht, was man mal wieder sah. »Tut mir leid«, sagte Reggie. »Dass er tot ist.« Das

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