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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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war eine Mischung aus Einkaufslisten und Rezepten (Sheilas Schokoladenkekse) und Nachrichten Dr. Hunters an sich selbst – Reggie sagen, dass Musikschule am Montag abgesagt ist oder Praxistreffen auf Freitag verlegt. Auch Terminzettel für den Zahnarzt, den Friseur, den Optiker waren angesteckt. Dr. Hunter trug beim Autofahren eine Brille, damit sah sie schlauer aus, als sie war. Reggie sollte eigentlich eine Brille tragen, aber bei ihr hatte sie den gegenteiligen Effekt, sie sah damit aus wie ein kompletter Trottel, deswegen trug sie sie nur, wenn sie allein war. Das Baby und Dr. Hunter zählten nicht, weil Reggie in ihrer Gegenwart ganz sie selbst sein konnte, einschließlich der Brille.
    Auch ein paar Visitenkarten steckten an der Pinnwand, nach »Arbeitsessen« von Mr. Hunter angebracht, aber eigentlich war es Dr. Hunters Pinnwand.
    Gestern Nachmittag hatte eine Frau Dr. Hunter besucht. Sie klingelte an der Tür zwei Minuten nachdem Dr. Hunter nach Hause gekommen war, und Reggie hatte sich gefragt, ob sie in der Nähe geparkt und auf Dr. Hunter gewartet hatte.
    Reggie, die das Baby in die Hüfte stemmte, führte sie in die Küche und sagte Dr. Hunter Bescheid, die nach oben gegangen war, um das schwarze Kostüm, das sie zur Arbeit trug, auszuziehen. Als Reggie wieder herunterkam, studierte die Frau die Pinnwand auf eine Weise, die Reggie als vermessen für eine Fremde empfand. Die Frau sah ein bisschen aus wie Dr. Hunter, das gleiche dunkle Haar, das bis auf die Schultern fiel, der gleiche schlanke Körperbau, ein bisschen größer. Auch sie trug ein schwarzes Kostüm. Sie war nicht die Avonberaterin, das stand fest. Reggie fragte sich, ob sie je ein Leben führen würde, in dem sie ein schwarzes Kostüm tragen könnte.
    Dr. Hunter betrat die Küche, die Frau nahm eine Karte aus der Tasche, zeigte sie Dr. Hunter und sagte, »Kann ich kurz mit Ihnen sprechen?«, und Dr. Hunter sagte zu Reggie, »Kannst du ein paar Minuten auf das Baby aufpassen?«, obwohl das Baby sein selbstmörderisches Seesternprogramm abzog, die dicken Arme nach Dr. Hunter ausstreckte, als wollte es von einem sinkenden Schiff gerettet werden, aber Dr. Hunter lächelte es nur an, führte die Frau ins Wohnzimmer und schloss die Tür. Dr. Hunter ignorierte das Baby nie, Dr. Hunter führte nie jemanden ins Wohnzimmer – die Leute setzten sich immer an den großen Tisch in der gemütlichen Küche –, und Reggie sorgte sich kurz, dass die Polizistin wegen Billy gekommen war. Sie würde als die Schwester von Bad Boy Billy bloßgestellt und verstoßen werden. Reggie hatte Dr. Hunter nie erzählt, dass sie einen Bruder hatte. Sie hatte nicht gelogen, sie hatte ihn in ihrer Lebensgeschichte einfach nur ausgelassen, was er mit ihr schließlich auch tat.
    Der Hund wollte Dr. Hunter folgen, aber sie schloss die Tür vor seiner Nase, ohne etwas zu sagen, was völlig untypisch für Dr. Hunter war, und eine verbannte Sadie setzte sich vor die Tür und wartete geduldig. Könnten Hunde die Stirn runzeln, Sadie hätte es getan.
    Nachdem die Frau gegangen war, war Dr. Hunters Ausdruck merkwürdig angespannt, als wollte sie vorgeben, alles wäre ganz normal, obwohl es nicht normal war.
    Jetzt hing eine neue Karte an der Pinnwand. »Lothian and Borders Police« war aufgeprägt, eine Telefonnummer und ein Name: »Kriminalhauptkommissarin Louise Monroe«.
     
    Reggie fütterte das Baby mit einem Joghurt, keinem normalen Joghurt, sondern einem besonderen organischen Babyjoghurt ohne Zusatzstoffe, ohne Zucker, nichts Künstliches. Als es das Interesse daran verlor, aß sie den Rest selbst.
    Draußen war es kalt und feucht, doch in der Küche war es gemütlich und sicher. Noch hing kein Weihnachtschmuck, nur der Adventskalender, den sie am Geburtstag des Babys gekauft hatten, aber Reggie konnte sich den Duft von Tannenzweigen und Klementinen und offenem Feuer und all die anderen guten Gerüche vorstellen, mit denen Dr. Hunter das Haus jetzt jederzeit füllen würde. Es wäre Reggies erste Weihnachtszeit mit Dr. Hunter und dem Baby, und sie fragte sich, ob sie ihr irgendwie nahelegen könnte, sie Weihnachten mit ihnen verbringen zu lassen statt allein oder mit den Hussains. Nichts gegen die Hussains, aber sie waren nicht ihre Familie. Im Gegensatz zu Dr. Hunter und dem Baby.
    Sadie wartete geduldig neben dem Hochstuhl. Jedes Mal, wenn das Baby Essen fallen ließ, leckte sie es vom Boden ab. Manchmal fing sie es im Fall auf. Sie war sehr

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