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Lebenslügen / Roman

Lebenslügen / Roman

Titel: Lebenslügen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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triumphale Tonfall seiner Botschaft war unüberhörbar. »Decker wurde auf der A1 festgenommen, in der Nähe von Scotch Corner. Sie bringen ihn ins Krankenhaus von Darlington. Sie können in null Komma nichts dort sein, Boss.«
    »Ins Krankenhaus?«
    »Irgendein Unfall.«
     
    »Seltsam«, sagte Marcus, als sie ihn anwies, aufs Gas zu treten. »Sieht fast so aus, als wäre er hinter Ihnen her und nicht hinter Joanna Hunter.«
    »Das ist nicht das wirklich Seltsame«, sagte Louise. »Das wirklich Seltsame werden Sie nicht glauben.«
    »Versuchen Sie’s, Boss.«
     
    »Noch etwas, Boss«, sagte Sandy Mathieson. »Es wird Ihnen nicht gefallen.«
    »Das kann man von vielen Dingen behaupten.«
    »Wakefield hat sich bei uns gemeldet. Decker war nicht der beliebteste Häftling im Block. Er hatte nur drei Besucher während der letzten eineinhalb Jahre. Seine Mutter, der Pfarrer der Gemeinde seiner Mutter – er ist im Gefängnis zum Katholizismus übergetreten, war viel mit dem Gefängnispfarrer zusammen und so weiter –, simple Methode, um mit Schuld fertig zu werden, wenn Sie mich fragen.«
    »Es ist der dritte Besucher, der mich umhauen wird, oder?«, sagte Louise.
    »Ja. Niemand anders als eine Dr. Joanna Hunter.«
     
    »Sie machen Witze. Sie hat ihn besucht? Wie oft?«
    »Nur einmal. Einen Monat vor seiner Entlassung. Sie hat um Erlaubnis gebeten, und er hat sie gegeben.«
    Das hat sie nicht erzählt, dachte Louise. Sie hatte Joanna Hunter in ihrem schönen Haus besucht und in ihrem schönen Wohnzimmer mit den Duftheckenkirschen und den Duftenden Fleischbeeren gesessen und ihr gesagt, dass Andrew Decker entlassen worden war, und Joanna Hunter sagte: »Ich habe mir schon gedacht, dass es jetzt so weit ist.« Sie sagte nicht, ja, ich weiß, ich habe vor ein paar Wochen bei ihm vorbeigeschaut. Sie log nicht, sie sagte einfach nicht die Wahrheit. Warum?
    »Opfer besuchen Häftlinge, Boss«, sagte Marcus. »Sie suchen nach Erklärungen, Reue, wollen das Verbrechen verstehen.«
    »Normalerweise warten sie nicht dreißig Jahre damit.«
    Joanna Hunter konnte laufen, sie konnte schießen. Sie wusste, wie man Leben rettete, und sie wusste, wie man Leben beendete. »Es gibt keine Regeln«, hatte sie letzte Woche in ihrem schönen Wohnzimmer zu Louise gesagt. »Wir tun nur so, als ob es sie gäbe.« Was hatte sie vor?
     
    Louises Handy klingelte erneut. Sie ließ es lange läuten, sie war sich nicht sicher, ob sie noch mehr erfahren wollte.
    »Boss?« Marcus schaute sie einen Moment zögernd an. »Wollen Sie nicht rangehen?«
    »Es sind immer schlechte Nachrichten.«
    »Nicht immer.«
    Ein Crescendo an Anrufen, die zwangsläufig in einem dramatischen Finish endeten. Sie seufzte und meldete sich.
    »Entschuldigung, Boss«, sagte Abbie Nash. »Nichts Dramatisches. Wir haben die Anrufe auf Joanna Hunters Handy am Mittwoch überprüft.«
    »Fangen Sie mit den Anrufen nach sechzehn Uhr an, nachdem sie von der Arbeit zurück war.«
    »Einer von ihrem Mann, zwei von einer Sheila Hayes und der letzte um halb zehn – derselbe Teilnehmer hat auch am Donnerstag mehrmals angerufen und dann wieder gestern Morgen, ein Handy, registriert auf den Namen Jackson Brodie, London.«
    Selbstverständlich, warum nicht?

Arma virumque cano
    R eggie weckte Jackson mit einer Tasse Tee und einem Teller mit Toast. Auf der Tasse stand »Gewaschen im Blut des Lammes«, und sie sagte: »Natürlich nicht die Tasse, die wurde mit Fairy gespült.«
    Gestern Abend war er verblüfft, dass das Haus, zu dem sie ihn brachte (in einem unglaublich teuren Taxi), nur ein paar Meter von der Stelle entfernt war, wo der Zug verunglückt war, wo er gestorben und wiederbelebt worden war.
    »Eigentlich wohne ich nicht hier«, sagte Reggie.
    »Wer wohnt dann hier?«
    »Ms MacDonald, aber jetzt nicht mehr, weil sie tot ist. Alle sind tot.«
    »Ich nicht«, sagte Jackson. »Du auch nicht.«
     
    Das war die Abmachung, er fuhr nach Hause, nach London, wo er seine Frau am Flughafen abholen würde, und unterwegs würde er einen kleinen Umweg machen und eine Tante suchen, von der Reggie phantasierte, eine Tante, die in irgendeiner Verbindung zu Reggies verschwundener Ärztin (Entführt!) stand. Nachdem sie die Tante (an deren Existenz anscheinend Zweifel bestanden) gefunden hätten, würde er Reggie zum nächsten Bahnhof bringen und dann allein nach Hause fahren. Wie genau er das bewerkstelligen würde, wusste er noch nicht, vielleicht in Etappen wie ein müder alter

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