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Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition)

Titel: Lebenslust: Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Lütz
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traditionelle Gesundheitswesen funktionsfähig und verhinderte, dass das Gesundheitswesen selbst religiös wurde und damit alle Grenzen sprengte. Auch heute gilt zweifellos, dass eine seriöse, eigenständige religiöse Grundlage das beste Mittel ist, der machtvollen Gesundheitsreligion nicht auf den Leim zu gehen.
    Damit sind wir bei einer Lösung des Gesundheitsproblems angelangt. Risiken und Nebenwirkungen der Gesundheit treten dann ein, wenn die Dosis nicht stimmt. Und dann, erst dann zerstört sie die Lebenslust. Es geht um das Maß. Auch wenn sie zu gering ist, die Dosis, kann das Leben zur Qual werden. Ist sie freilich zu hoch, wird das Leben durch Gesundheit ersetzt. Um das zu vermeiden, ist es vor allem wichtig, dass nicht untergründig sehnsuchtsvolle religiöse Bedürfnisse über das Gesundheitswesen befriedigt werden. Das kann nicht funktionieren. Mit enormer Kraftanstrengung macht man dann nur »mehr von demselben, was nicht funktioniert«, wie Paul Watzlawick das genannt hat. Man erlebt das frustrierende Scheitern der Gesundheitsbemühungen und, anstatt die Richtung zu ändern, macht man noch mehr davon, bis schließlich das ganze Leben durch das Kreisen um Gesundheitsfragen aufgesogen wird. Lebenslust wird dann das, was für den Marxisten die Weltrevolution war: Man hoffte, sie zu erreichen, nahm dafür alle Mühsal und alle Entbehrungen auf sich und dennoch musste man erleben, dass das Ziel unerreichbar blieb. Lebenslust als bloße Idee unterscheidet sich aber von Lebenslust als lustvolle Praxis wie der Schweinebraten auf der Speisekarte vom Schweinebraten auf dem Teller. Um der Lebenslust auf die Spur zu kommen, ist es nützlicher, den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit darauf zu richten, wo es Menschen schmeckt und wo die Lebenslust ihre Feste feiert, als allzu lang darüber zu sinnieren, wo es den Menschen korrekterweise schmecken sollte. Damit muss auch der utopische Gesundheitsbegriff im Giftschrank verschwinden.
    2. Geheime Lösungen
    Die lebenslustvernichtende utopische Gesundheitsreligion ist vor allem auf dem Boden ehemals christlich geprägter Gesellschaften entstanden. Durchgeknalltes Christentum haben wir da bereits vermutet. Der Gesundheitskult hat sogar viele seiner Riten und Gebräuche beim Räumungsverkauf des Christentums erstanden. Daher scheint gerade das Christentum besonders dazu geeignet, dem wild gewordenen Gesundheitsgetriebe mit einigen Lösungen zu Hilfe zu eilen. Nicht inhaltliche Angebote hat das Christentum da zu machen. Es gibt keine christliche Fußmassage, keine christlichen Teesorten und auch keine christlichen Medikamente. Es geht vielmehr um die Form, es geht um die Wertigkeit, die solche Maßnahmen im Leben haben. Vor allem geht es darum, in welchem Zusammenhang die Maßnahmen für die Gesundheit mit den anderen wichtigen Tätigkeiten des Lebens stehen. Gerade hier kann das Christentum behilflich sein. Was zu Anfang dieses Buches nämlich an dem lebenslustfeindlichen Gesundheitsgetriebe, zugegeben lustvoll, kritisiert wurde, war nur die lebenslusttötende Form und die totalitäre Wertigkeit, nicht der Inhalt. Selbstverständlich ist Gesundheit wichtig und selbstverständlich ist es human und christlich wichtig, das Leiden der Menschen mit den modernsten medizinischen Methoden zu lindern oder zu heilen. Natürlich ist es sinnvoll, dass sich Menschen, die oft in ganz unnatürlichen Positionen am Schreibtisch oder anderswo ihre Arbeitszeit verbringen, durch Ausgleichssport fit halten. Warum soll man das dann nicht Fitness nennen? Und wer will es einem verbieten, es sich im Whirlpool einer Wellnesseinrichtung gut gehen zu lassen? Niemand, der für die Lebenslust eintritt, wird etwas gegen die Schönheit eines Menschen haben, und ein wenig Kosmetik, diskret aufgetragen, kann erfreuliche Wirkungen haben. Von der vitalen, aber ganzheitlichen Einstellung zur Sexualität in katholischen Gegenden war schon die Rede. Das Problem der herrschenden Gesundheitsreligion sind nicht die Inhalte, das Problem ist die Übertreibung. Dieses Zuviel, dieses wahrhaft grenzenlose Zuviel führt de facto zur Zerstörung der Lust, ja zur Zerstörung eines ganzen Lebens und damit zur Zerstörung der Grundlagen jedweder Lebenslust.
    Das Christentum kappt den ungeduldigen, gehetzten Überschwang, der die Gesundheitsreligion prägt. Es hält deren Ziele nicht für belanglos oder verächtlich, aber es hält sie für nicht herstellbar, sondern nur für anstrebbar. Sie gelten im Letzten als Geschenk, als

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