Lebenssonden: Roman (German Edition)
Sie, meine Damen und Herren. Wir wollen hier einen Vertrag mit dieser Maschine verhandeln. Durch den Umstand, dass wir es mit einem Außerirdischen zu tun haben, verlieren nicht automatisch alle Verhandlungsgrundsätze ihre Gültigkeit. Und wenn doch Fallen auf Unvorsichtige lauern, haben wir hier an diesem Tisch doch sicherlich Erfahrung genug, um sie zu vermeiden.«
Agusta Meriweather nickte. »Wir müssen anfangen. Sie alle haben die Berichte gesehen. Diese Überholung wird unsere industriellen Kapazitäten bis an die Leistungsgrenze beanspruchen. Ich bezweifle, dass ich den Abflug der Sonde nach Procyon noch erleben werde, aber zumindest beim Beginn möchte ich noch quicklebendig sein.«
Kenzie kicherte. »Noch liegen Sie nicht in der Gruft, Agusta.«
»Das wird mir vielleicht bald blühen, wenn diese Sitzung nicht bald zu Potte kommt.«
Während der Präliminarien saß Nicholas Boswani nur still da und beobachtete seine Kollegen.
Die Delegation versammelte sich zum ersten Gespräch mit STELLVERTRETER in einem umgebauten Frachter, der für diesen Zweck hergerichtet und auf den Namen Concordiate getauft worden war. Außer einem zentralen Konferenzraum, wo jedes Mitglied über Aufzeichnungsgeräte und Computer aller Art verfügte, war der Frachter mit großzügigen Salons, einer erstklassigen Küche und mit allen anderen Annehmlichkeiten ausgestattet worden, die Admiral Liu zu organisieren vermocht hatte. Es war seine Idee gewesen, die Verhandlungen ins Konferenzschiff zu verlegen und die Unterhändler zu animieren, so viel Zeit wie möglich dort zu verbringen.
Die offizielle Erklärung, derzufolge der Wechsel vom Flaggschiff zum Konferenzschiff schon seit langem geplant war, stimmte sogar. Liu hatte den Umbau des Frachters fast in dem Moment angeordnet, als die Graf Bernadotte den Treffpunkt erreichte. Dass die Graf Bernadotte im Notfall auch für den Kampfeinsatz zur Verfügung stand, war ein Zusatznutzen. Durch die Verlegung der Delegation und ihres Personals von der Bernadotte wurde kaschiert, in welchem Ausmaß das alte Fusionsschiff wiederbewaffnet wurde – und es verhinderte lästige Fragen, als die Rotation des Schiffs gestoppt werden musste, um diverse Arbeiten verrichten zu können.
Die acht Mitglieder der Delegation – Enrique Malagar, Robert Kenzie, Rava Souvantavong, Jacques Villart, Po Dua, Gidaya Darvi, Agusta Meriweather und Liu Tsen – gingen also an Bord des Konferenzschiffs und gruppierten sich um den runden Konferenztisch. Jedes Mitglied wurde von einem Assistenten begleitet. Aus diesem Anlass hatte Admiral Liu Ellie Crocker engagiert, da Eric Stassel die Aufrüstung der Bernadotte beaufsichtigte. Brea saß neben Ellie am äußeren Ring der Tische, in deren Mittelpunkt der Haupt-Konferenztisch stand. Sie unterhielten sich zwanglos, während die Delegation sich einrichtete. Als Admiral Liu Ellie winkte, um ihm zu assistieren, wandte Brea sich einer Inspektion der Einrichtung zu und ließ den Blick über die hintere Hälfte des Kreises schweifen, wo Oberst M’Buto saß. Sie musterten sich für einen Moment, bis er wegschaute.
In diesem ersten Moment des spontanen Blickkontakts hatte sie einen Ausdruck in M’Butos Gesicht gesehen, der ihr bisher nur einmal aufgefallen war. Als sie zwölf war, hatte ihr Onkel sie eingeladen, den Sommer auf seiner Farm in Saskatchewan zu verbringen. Er hatte eine Woche nach ihrer Ankunft ein Grillfest für seine Nachbarn gegeben und zu diesem Anlass einen Stier geschlachtet. Brea hatte ein entsprechendes Verbot missachtet und einen Platz in der Scheune bezogen, von wo sie den Vorgang zu beobachten vermochte. Das arme Tier war zu zwei massiven Pfosten geführt und mit dem Kopf hindurchgeschoben worden, während es in kreatürlicher Angst blökte. Zwei Ranchhelfer schoben einen Querbalken zwischen die Posten, um den Stier zu fixieren, und dann kam ihr Onkel mit einem Vorschlaghammer und zertrümmerte ihm den Schädel. Erstaunlicherweise war es nicht die Tötung, die den nachhaltigsten Eindruck bei ihr hinterlassen hatte – eher der Gesichtsausdruck ihres Onkels. Kurz bevor er den Vorschlaghammer erhob, hatte er das Tier nämlich mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck angeschaut. Es war ein »Tut mir Leid, alter Kumpel, aber ein Mann muss essen«-Blick gewesen.
»Sind alle bereit?«, fragte der Vorsitzende Malagar und schaute flüchtig in die Runde der Delegierten. Die Antwort war ein allgemeines Nicken mit dem Kopf. Er betätigte das
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