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Lebenssonden: Roman (German Edition)

Lebenssonden: Roman (German Edition)

Titel: Lebenssonden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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gefallen! Zunächst schien STELLVERTRETER Verhandlungen durchaus zu begrüßen. Und die Gespräche verliefen auch sehr gut – bis zu einem bestimmten Punkt. Auf der ersten Sitzung, als M’Buto und STELLVERTRETER einen Erstkontakt herstellten, hatte sich noch nicht viel getan; obwohl der Oberst ein guter Techniker war, hatte er nicht die Berechtigung, ohne Boswanis Zustimmung in weiterführende Verhandlungen einzutreten. Und weil Boswani sich schon vor den Kameras präsentierte, war diese Option ihm ebenfalls verwehrt. Verhandlungen, die nicht von den Entscheidungsträgern selbst geführt wurden, hatten sich als zu ineffizient erwiesen.
    Zur zweiten Sitzung hatte Oberst M’Buto das Problem dann behoben. Er hatte Boswani mit einem Organizer ausgestattet – wenn Boswani mit SONDE sprechen wollte, gab er die entsprechende Mitteilung über das Tastenfeld des Geräts ein. Die Information wurde dann an M’Butos Computer und von dort wiederum an die »subversive« Kommunikationsschaltung übergeben. STELLVERTRETERs Antwort würde den gleichen Weg zurücknehmen, nur dass Boswani die Antworten von M’Buto über einen im rechten Ohr platzierten Mikroempfänger erhielt.
    Es war ein gutes System, aber zu langsam. Um die langen Pausen zu überbrücken, die durch die vielen Umleitungen erzwungen wurden, hatte Boswani wie ein altes Waschweib quatschen müssen – und das galt auch für SONDE. Wenn Boswani eine Sendung übertrug, tarnte STELLVERTRETER den Empfang, indem er sich in langen Monologen übte. Auf diese Art vermochten sie die Aufzeichnungsgeräte stundenlang zu beschäftigen, während sie lautlos die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit sondierten. Dennoch hatte STELLVERTRETER sich in den stundenlangen stummen Verhandlungen bislang nicht verbindlicher geäußert als mit »Es ist gut, miteinander zu reden«.
    Nicht dass SONDE kein erfahrener Unterhändler gewesen wäre. Ein Dutzend Mal hatte Boswani schon geglaubt, eine verbindliche Zusage erhalten zu haben – nur um bei genauerem Hinsehen zu erkennen, dass die Versprechung nichts als semantisches Rauschen war. Unglücklicherweise lief die Zeit ab. In weniger als zehn Stunden würde Isandhlwana den Höhepunkt erreichen. Und schon in weniger als acht Stunden wäre Nicholas Boswani gezwungen, die wichtigste Entscheidung seines Lebens zu treffen. Wenn er Glück hatte, dann würde Panafrika seinen rechtmäßigen Platz unter den ersten Nationen der Erde einnehmen. Wenn er Pech hatte, würde Panafrika sehr wahrscheinlich als eine souveräne politische Entität aufhören zu existieren.
    Er wurde vom Summen des Interkoms aus den Überlegungen gerissen. Er setzte sich aufrecht hin und nahm den Anruf entgegen. Es war M’Buto.
    »Ja, Oberst?«
    »Zerhacker, Herr.«
    Boswani gab den Zerhacker-Code des Tages ein. Dabei drehte sich ihm schier der Magen um, der ihm schon die ganze Woche Ärger gemacht hatte. »Zerhackt.«
    »Sie sind uns auf die Schliche gekommen!«
    »Wer?«
    »Agusta Meriweather und vielleicht noch jemand.«
    »Sind Sie sicher?«
    M’Buto nickte. »Unter den Sicherheitsroutinen, die ich kurz nach unserer Ankunft in den Hauptcomputer programmiert hatte, war eine, die mich benachrichtigen sollte, wenn irgendjemand Ihre Interview-Aufzeichnungen abruft. Mein Computer hat die Warnung vor zwei Stunden herausgegeben. Ich habe daraufhin eine Verbindung mit dem Terminal hergestellt, wo die Wiedergabe stattfindet, und Zugang zu allem bekommen, was Mrs. Meriweather an ihrem Arbeitsplatz sieht. Vor zehn Minuten hat ein zweites Terminal die Aufzeichnung aufgerufen und unseren Ultraschallträger entdeckt. In diesem Moment lesen sie eine Abschrift der gestrigen Verhandlungen.«
    Boswani biss sich auf die Lippe, wägte alle Optionen ab und traf eine Entscheidung. Er brauchte dazu nicht mehr als eine Viertelsekunde. »Wir werden ›Auf Kaution frei‹ um acht Stunden vorziehen. Sie gehen sofort zum Andockportal und sichern unseren Transporter. Ich werde nachkommen, wenn ich meine Aufzeichnungen hier vernichtet habe. Abflug in fünf Minuten.«
    »Verstanden, Herr.«
    Boswani vergeudete keine Zeit mit Schuldzuweisungen. Er hätte gern noch eine zweite Chance bei SONDE gehabt, aber anscheinend sollte es nicht sein. Wenn die Vorsehung es so gefügt hatte, dass Isandhlwana fruchten sollte, dann war es eben so. Ihm blieb nun nichts anderes mehr übrig, als die Beweise zu vernichten.
    Die Zeiten der unsichtbaren Tinte und Kassiber waren lange vorbei. Die Spionage war – wie so viele

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