Lebenssonden: Roman (German Edition)
Expedition nach Procyon aufgeben.«
»Quatsch!«, ertönte da eine Stimme dicht neben Stassels Ohr. Er drehte sich um und schaute auf eine Menge, die sich versammelt hatte, um der Debatte zu folgen. Brea Gallagher beugte sich nach vorn, bis ihr Gesicht auf gleicher Höhe mit seinem war. Sie hatte sich zu Wort gemeldet.
»Erinnern Sie sich noch, was Sie dem Komitee bei unserer ersten Sitzung erzählten?«, fragte Brea. Dann wurde sie sich bewusst, was sie gerade gesagt hatte, und stieß ein kurzes, nervöses Lachen aus. »Blöde Frage. Sie sind ja ein Computer – wie könnten Sie da etwas vergessen? Sie sagten uns, dass wir FTL genauso bräuchten wie die Schöpfer . Und Sie hatten Recht! Sie haben unsere internen Streitigkeiten verfolgt. Glauben Sie, dass der panafrikanische Angriff auf Sie einzigartig in unserer Geschichte sei?
Sie können sicher sein, dass wir diese Expedition nach Procyon durchführen werden, STELLVERTRETER. Wir werden das natürlich nicht aus Loyalität, in einem Anfall von Reue oder irgendetwas in der Art tun. Wir werden es tun, weil wir keine Wahl haben. Wenn wir in diesem System bleiben, werden wir uns selbst vernichten.«
»Und wenn Sie das Geheimnis gelüftet haben? Würden Sie sich wahrhaftig auf die Suche nach den Schöpfern begeben?«
Stassel biss sich auf die Lippe. Das einzige Manko an seinem Plan war, dass zukünftige Generationen die Dinge vielleicht anders sehen würden als er. Wenn die Menschheit einmal im Besitz von FTL war, würde sie das Versprechen gegenüber der Sonde vielleicht »wegrationalisieren«. Doch dann sah er, dass es auch für dieses Problem eine einfache Lösung gab.
»Was Sie damit sagen, STELLVERTRETER, ist: Sie haben kein Vertrauen. Sie trauen uns nicht zu, dass wir unser Wort zu halten. Ich vermag es Ihnen nicht einmal zu verdenken. Aber Vertrauen kann bei diesem Abkommen auch außen vor bleiben. Kontrollieren Sie selbst, ob wir unseren Teil der Vereinbarung einhalten, wenn Sie das wünschen.«
»Und wie?«
»Wir werden den Kasten aufspüren, der Ihre Schaltungen enthält, und ihn auf unser Sternenschiff bringen. Sie können die Reise als Vertreter der Schöpfer mitmachen. Sie werden uns mit dem Grundwissen für den Bau des Schiffs und späterer Konstruktionen versorgen. Dadurch erlangen Sie Einfluss auf uns. Beim ersten Anzeichen, dass wir einen Verstoß gegen die Vereinbarung beabsichtigen, verweigern Sie einfach die Antwort auf alle weiteren Fragen.«
Diesmal war die Pause noch länger. STELLVERTRETER sagte für fast fünf Sekunden nichts. Als er dann wieder sprach, wählte er die Worte mit Bedacht. »Eine interessante Idee, Major Stassel. Jedoch werde ich sehr gründlich darüber nachdenken müssen, bevor ich eine Entscheidung treffe.«
»Wieso denn? Es wird funktionieren.«
»Ja, ich glaube, das wird es. Eine vorläufige Analyse ergibt eine etwa achtzigprozentige Erfolgsaussicht für jede Procyon-Expedition, an der ich als Berater teilnehme. Jedoch gibt es einen Faktor, der alle anderen überwiegt – ein Problem, das das Schicksal meiner Mission doch noch zu besiegeln vermag.«
»Und welches?«
Es trat wieder eine lange Pause ein. »Ich will nicht unhöflich sein, Major Stassel. Ich mag euch Menschen. Ich kann auch gar nicht anders, denn SONDE hat mich zu einem von euch gemacht. Ich stelle fest, dass das Lernen neuer Dinge über meine Adoptiv-Spezies ein Quell steter Unterhaltung ist. Wäre da nicht meine Verantwortung den Schöpfern gegenüber, würde ich gern eine Ewigkeit hier verbringen und versuchen, alles über euch faszinierende Wesen herauszufinden.
Jedoch bin ich mir auch bewusst, dass die Menschen komplizierte, Fleisch fressende Tiere sind. Ihr stammt von einer Million Generationen von Jägern ab und habt die Aggression zur Kunstform entwickelt. Es gibt wohl viele kriegerische Spezies in der Milchstraße, aber die Schöpfer sind noch niemandem mit eurer unbegrenzten Kapazität für Konflikte begegnet. Und wenn auch ich einer Gruppe von Menschen dankbar dafür bin, dass sie mich schützen, vermag ich nicht zu vergessen, dass es eine andere Gruppe gab, die mich fast zerstörte. In schonungsloser Offenheit: Ihre Rasse könnte eine viel größere Gefahr für die Schöpfer darstellen als ein fehlender überlichtschneller Antrieb.
Aus diesem Grund muss ich es mir sehr gut überlegen, ob ich es wagen soll, Homo sapiens Terra auf eine ahnungslose Galaxis loszulassen.«
EPILOG
… und so stieg Pathfinder I wie Phönix aus der Asche
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