Lebenssonden: Roman (German Edition)
Brücke für ein paar Stunden zu verlassen, kurz bevor das Flaggschiff zu der sich sammelnden Flotte zurückkehrte.
Das Letzte, woran er sich erinnerte, war Brea Gallagher, wie sie leise mit ihm sprach und ihm die müden Schultern durch den zerknitterten Schiffsanzug rieb. Nach einer Weile wurde er von Ellie Crocker wachgerüttelt.
»Es ist Zeit, Major.«
Er öffnete die Augen und stöhnte. Der Mund fühlte sich an, als ob jemand Hockey darin gespielt hätte, und Nase und Hals waren wund infolge des reinen Sauerstoffs, den er im Raumanzug in großen Mengen geatmet hatte. Er setzte sich auf und rieb sich die verquollenen Augen.
»Wie lange habe ich geschlafen, Leutnant?«
»Drei Stunden, Sir.«
»Besondere Vorkommnisse?«
»Wir werden in fünfzehn Minuten wieder am Treffpunkt sein. Brea Gallagher sitzt seit einer Stunde am Funkgerät und bespricht mit Professor Roquette, was wir von der Sonde noch retten können. Sie hat vor ein paar Minuten auf der Brücke angerufen und mich gebeten, Sie aufzuwecken. Sie möchte, dass Sie sie in der Feuerleitzentrale treffen. Sie klang aufgeregt.«
Stassel bückte sich und stieg in die Schiffsstiefel. Erst in diesem Moment wurde er sich des Gefühls von Gewicht um ihn herum bewusst. Die Bernadotte stand unter »Dampf«, aber nur mit geringer Leistung. Er nahm sich die Zeit, das Gesicht mit kaltem Wasser zu benetzen, bevor er mit Ellie Crocker zurückging.
Er fand Brea in ein lebhaftes Gespräch mit einem Computer vertieft. Henri Roquettes Konterfei zierte den Bildschirm. Die Hintergrundansicht sagte Stassel, dass er an Bord der Concordiate war.
»Was gibt’s?«, fragte er und hielt das Gesicht in den Erfassungsbereich der Kamera.
»STELLVERTRETER lebt!«, rief Roquette.
»Unmöglich«, flüsterte er heiser. »Sie haben die Explosion doch gesehen.«
»Ich habe mit ihm gesprochen! Die Hauptpersönlichkeit ist zerstört worden, doch STELLVERTRETER sitzt am Ende eines dieser langen Instrumententräger. Anscheinend war er weit genug weg, als die I-Masse die Sonde durchschlug. Ich habe ihn nach der Schöpfer -Bibliothek gefragt. Auch von ihr hat viel überlebt. Warten Sie einen Moment … ich habe gerade Ihre Ankunft bekannt gegeben. STELLVERTRETER möchte mit Ihnen sprechen.«
Stassel setzte sich an einen Computer. »Stellen Sie mich durch.«
Als sie ertönte, klang die vertraute Stimme viel mechanischer als je zuvor. »Hier bin ich, Major Stassel.«
»Sind Sie in Ordnung?«
»Ich bin unversehrt.«
»Ein gottverdammtes Wunder!«, murmelte Stassel.
»Ich muss gestehen, dass mein Überleben sehr unwahrscheinlich war«, sagte STELLVERTRETER. »Und darüber möchte ich auch mit Ihnen sprechen. Sie müssen Ihre Schiffe von diesem Ort abziehen.«
»Wieso?«
»Ich schicke mich an, meine Energiequellen zu überladen. Die daraus resultierende Explosion wird äußerst heftig sein. Ihre Schiffe könnten beschädigt werden.«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich will Selbstmord begehen.«
»Aber wieso?«
»Das ist doch offensichtlich. Nach SONDEs Zerstörung ist es nicht mehr möglich, Kontakt mit der FTL-Zivilisation aufzunehmen. Ohne FTL wird die Schöpfer -Gesellschaft unweigerlich zusammenbrechen. Ich bin eine Maschine, deren einziger Zweck darin bestand, nach etwas zu suchen, das nun unerreichbar ist. Vermögen Sie die Intensität meiner Verzweiflung zu erfassen?«
Stassel dachte an seinen Schmerz unmittelbar nach der Zerstörung der Sonde zurück. »Ich verstehe es nur zu gut.«
»Dann müssen Sie auch wissen, dass das Bewusstsein meines Scheiterns geeignet ist, mich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ich könnte den Verstand verlieren; vor allem wegen der Sinnesberaubung, die ich nach der Vernichtung von SONDE nun erdulden muss. Es ist am besten, wenn ich mich selbst zerstöre, solange ich noch die Kontrolle über mich habe.«
»Würden Sie die geistige Gesundheit bewahren, wenn Ihre Mission kein Misserfolg wäre?«
»Die Frage ist hypothetisch und sinnlos.«
»Antworten Sie mir nur.«
»Ja, wenn es eine Methode gäbe, das Scheitern zu vermeiden, könnte ich mein Gleichgewicht aufrechterhalten. Ich vermag hierin aber keinen Sinn zu erkennen. Die Suche ist zu Ende. Ich habe in jeder Hinsicht und vollumfänglich versagt.«
»Das haben Sie nicht! Es gibt noch eine Chance.«
»Es gibt keine Chance mehr.«
»Es gibt immer eine Chance, solange man noch lebt. Das einzige endgültige Scheitern ist der Tod.«
»Ein Gefühl, das keiner Analyse standhält«, erwiderte
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