Lebenssonden: Roman (German Edition)

STELLVERTRETER.
    Dennoch glaubte Stassel herauszuhören, dass die Sonde im Entschluss schwankte, ihre Existenz zu beenden. Er fragte sich, wie viel Vertrauen er in STELLVERTRETERs anthropomorphe Qualitäten setzen durfte. Ohne eine gute Antwort auf diese Frage blieb ihm nichts anderes übrig, als STELLVERTRETER wie ein menschliches Wesen zu behandeln und zu hoffen, dass es funktionierte.
    »Schauen Sie, ich verstehe Ihre Gefühle. Sie haben SONDE verloren. Es ist ein schwerer Schlag. Aber ich habe selbst auch Freunde verloren. Admiral Liu ist mit fünfzig Mitgliedern dieser Besatzung und den armen Teufeln an Bord der Gottmann umgekommen. Jeder von diesen Leuten war ein Freund oder Bekannter von mir.
    Sie trauern, STELLVERTRETER, aber Sie müssen weitermachen. Sie sind beschädigt. Also lehren Sie uns, was wir wissen müssen, und wir werden Sie reparieren. Sie können die Mission noch immer vollenden.«
    »Unmöglich«, sagte STELLVERTRETER.
    »Wieso?«
    »Das nötige Wissen wäre ein paar Größenordnungen größer als das, was für eine Überholung erforderlich ist. Sie wären auch in tausend Jahren nicht dazu imstande.«
    »Ich würde wetten, dass wir es doch könnten. Und selbst wenn es wirklich tausend Jahre dauerte? Das ist nicht sehr lange für eine Lebenssonde, stimmt’s? Sie sind die einzige Hoffnung der Schöpfer . Wenn Sie sich selbst zerstören, verurteilen Sie sie zum Tode.«
    »Sie sind bereits verurteilt. Auch wenn die Menschheit das Wissen hätte, wäre es umsonst.«
    Stassel beschloss, die Taktik zu ändern und eine List anzuwenden – wie ein Polizist, der im zehnten Stock mit einem potenziellen Selbstmörder auf einem Mauervorsprung balancierte. Ein Fehltritt, und sie würden beide abstürzen.
    »Kommen Sie schon. Sie stellen sich nur stur. Es ist möglich. Geben Sie es zu.«
    »Das ist unmöglich, Major. SONDE hatte das gesamte Wissen der Schöpfer in einer speziellen Speicherbank aufbewahrt – um es bei Gesprächen mit euch Menschen vor einer versehentlichen Preisgabe zu schützen. Dieses Gedächtnis war ein Teil der Schaltungen, die zerstört wurden.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Stassel mit pochendem Herzen und der Befürchtung, dass er nur zu gut verstand.
    STELLVERTRETERs Antwort grenzte an Hysterie. » Begreifen Sie es denn nicht? Ich weiß nicht, wo der Planet der Schöpfer zu finden ist. Ich wäre genauso wenig in der Lage, ein FTL-Sternenschiff zu fliegen wie Sie .«
    Stassel dachte angestrengt über STELLVERTRETERs Dilemma nach. Auf den ersten Blick sah es wie eine Sackgasse aus. Dann hatte er plötzlich eine Idee. Es war eine so kühne Idee, dass er sie für ein paar Sekunden verdauen musste, bevor er sie den Stimmbändern anvertraute. Schließlich brach er mit einer Begeisterung, die aus der Verzweiflung geboren war, das Schweigen.
    »Bei Gott, Sie müssen es auch nicht wissen. Wir werden sie für Sie finden! «
    Stassel war an STELLVERTRETERs blitzschnelle Antworten gewöhnt. Dass die Sonde fast für eine halbe Sekunde nicht antwortete, sprach Bände. Es war ein schlagender Beweis dafür, dass seine Argumente Wirkung erzielten – hoffte er zumindest.
    »Bitte erklären Sie sich.«
    »Es ist ganz einfach«, sagte Stassel im Bewusstsein, dass es weder einfach noch leicht, sondern das schwierigste Unterfangen wäre, woran die Menschheit sich jemals versucht hatte. »Sie haben wahrscheinlich Recht damit, dass wir den Schaden nicht zu reparieren vermögen. Vergessen wir das also. Sie unterrichten uns in der Kunst des Schöpfer -Schiffsbaus, und wir werden selbst ein Schiff bauen. Wir Menschen werden die Expedition nach Procyon starten. Wir werden das Geheimnis des überlichtschnellen Raumflugs lüften, wir werden eine Sternenschiffflotte bauen, und wir werden uns selbst auf die Suche nach den Schöpfern machen.«
    »Sie würden sie nicht finden. Die Galaxis ist viel zu groß.«
    »Sicher würden wir sie finden – irgendwann. Wir kennen die Richtung und die ungefähre Entfernung. Das verringert die Auswahl auf nicht mehr als tausend Sterne. Mit tausend Suchschiffen könnten wir sie in einem Jahr oder zwei finden. Teufel, es würde nicht lange dauern, bis wir die Fähigkeit hätten, die ganze verdammte Galaxis abzusuchen, wenn es sein müsste.«
    STELLVERTRETER war nicht überzeugt. »Ein aufregender Plan, aber undurchführbar. Ihr Menschen seid unfähig, eine solche Anstrengung über den notwendigen Zeitraum durchzuhalten. Wenn Sie das Schöpfer -Wissen einmal haben, werden Sie die