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Lebenssonden: Roman (German Edition)

Lebenssonden: Roman (German Edition)

Titel: Lebenssonden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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Die abfallende Spannung wich gerade einer wohligen Ermattung, als sein Computermonitor summte. Er nahm den Anruf an.
    STELLVERTRETER erschien auf dem Bildschirm.
    »Sie haben es geschafft«, sagte Stassel ruhig; seine anfängliche Begeisterung war längst verflogen.
    »Sie wurden zerstört«, pflichtete STELLVERTRETER ihm bei. Stassel bemerkte, dass die Projektion mechanischer wirkte als sonst – als ob STELLVERTRETER sich weniger Mühe gab. »Jedoch ist die Gefahr noch nicht gebannt. SONDE hat den Grund hinter ihrer Strategie entdeckt.«
    »Was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Zwei große Wolken aus sich abkühlendem Plasma vermögen uns nichts mehr anzuhaben.«
    »Vielleicht nicht die Wolken, aber das, was sie enthalten.«
    »Wie?«
    »Vielleicht ist das meine Schuld. Weil die Methoden der Angreifer unorthodox waren, beauftragte SONDE mich mit dem Studium von Szenarien, die einen logischen Sinn für solche Taktiken ergaben. Das Problem erwies sich als schwierig, und die Lösung dauerte viel länger als erwartet. Die Analyse ist gerade erst beendet worden. Die Schiffe sind wohl zerstört worden, aber nicht ihre I-Massen.«
    Stassel verspürte eine durch Mark und Bein gehende Angst. Es war das Unbehagen, das einen überkommt, wenn man einen Freund an seinem Sterbebett besucht. Die Pan-Afrikaner hatten ihre Schiffe auf einen präzisen Kollisionskurs mit der Sonde gebracht und den Kurs auf dem Weg zum Ziel ständig nachkorrigiert. Vermutlich hatten sie den Befehl gehabt, den Kurs zu halten, bis sie die Vernichtung der Sonde durch einen Raketenangriff feststellten. Falls die Angreifer jedoch zerstört wurden, bevor sie gegen das Ziel loszuschlagen vermochten, würden sechs winzige Punkte aus unendlich dichter Materie ihre Rächer sein.
    »Besteht die Hoffnung, dass die Singularitäten das Ziel verfehlen werden?«
    »Das wäre möglich, Major Stassel, aber nicht wahrscheinlich. Sie hatten ein paar Tage für die Feinabstimmung der Bahnen. Wir werden es in Kürze wissen. SONDE berechnet, dass der Moment der maximalen Gefahr in siebenunddreißig Sekunden kommen wird.«
    Stassel befahl, die Teleskopansicht der Sonde auf den Haupt-Holoschirm zu legen. Dann wartete er. Auf den Kommunikationsschaltkreisen war außer Atemgeräuschen nichts zu hören. Die Männer und Frauen in der Feuerleitzentrale der Bernadotte starrten wie hypnotisiert auf den Bildschirm. Es gab keine Hinweise auf die Position der sechs flüchtigen I-Massen, aber man vermochte sich unschwer vorzustellen, wie sie auf das in Dreiviertel-Dunkelheit liegende Bild der Sonde zuliefen.
    Als Stassel gerade Hoffnung schöpfte, loderte die Abbildung in einem gleißenden Lichtblitz auf. Die plötzliche Nova hatte ihren Ursprung in der Steuersphäre der Sonde, als eine oder mehrere Singularitäten einen Volltreffer landeten. Die leuchtende Kugel wurde größer und schien die vordere Hälfte der Sonde vollständig zu umhüllen. Der Funken brannte vielleicht für dreißig Sekunden und erstarb dann langsam.
    Stassel schaltete ab. »Kommunikation, geben Sie mir die Sonde.«
    Nach einer fünfzehnsekündigen Pause erwiderte eine düstere Stimme: »Keine Antwortet, Major.«
    »VERDAMMT!« Stassel hätte am liebsten den Bildschirm zertrümmert und den Anblick des Kolosses ausgelöscht, der einmal der erste Besucher der Menschheit von einem anderen Stern gewesen war. Dann wich die Wut einem Gefühl der Scham. Unbeschreibliche Übelkeit ergriff von ihm Besitz, bis er sich fast den Anzug vom Leib gerissen und sich vor Schmerz gekrümmt hätte. Er würgte und spie fast den Mageninhalt aus, als er sich der Vernichtung der Sonde in letzter Konsequenz bewusst wurde.
    Die Schöpfer hatten es gewagt, die Sterne herauszufordern. Sie hatten ihre Maschine mit Liebe und Sorgfalt gebaut und sie auf einen Kurs in die tiefe Schwärze gebracht. Für zehntausend Jahre hatte ihr Diener den Himmel nach Anzeichen von Intelligenz abgesucht. Dann war sie schließlich fündig geworden und hatte, nachdem sie allen Widrigkeiten des interstellaren Raums getrotzt hatte, die Mildtätigkeit der Menschen begehrt. Und nun war dieses uralte Wunder – gerade einmal sechzehn Tage nach seiner Ankunft bei den nackten Affen der Erde – vorsätzlich ausgeschaltet worden.
    Irgendwo weinte jemand.
     
    Zwanzig Stunden vergingen, bis die Bernadotte sich wieder zum Treffpunkt geschleppt hatte. Der neue Kommandant des Schiffs, der seit fast zwei Tagen auf den Beinen war, gestattete es sich schließlich, die

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