Lebenssonden: Roman (German Edition)
denn je. Sie war enorm gewachsen, seit das Schiff von der Betankungs-Endstation zu einer tausend Kilometer hohen Pol-zu-Pol-Parkbahn verlegt worden war. Aber die neue Größe des Planeten war nicht die einzige Änderung. Der neue »Ball-an-Schnur«-Orbit der Promise vermittelte ihrer Besatzung ein atemberaubendes Panorama der Mutter aller Menschen.
Ein typischer Umlauf begann mit dem grellen Schein der antarktischen Eiskappe. Ein paar Minuten später schob die zerklüftete braune Spitze Südamerikas sich ins Blickfeld. Dann kam der lange Aufstieg zum Rückgrat der Anden, über den Golf von Mexiko und entlang der Ostküste Nordamerikas. Wenn die Promise den nördlichen Polarkreis überquerte, wurde es Nacht. Der Planet blieb eine dunkle Kugel in der tieferen Schwärze des Raums, bis die Lichter des asiatischen Festlands über den Horizont stiegen. Dann kamen die weit auseinander liegenden Städte des westlichen Australasiens und eine neue Morgendämmerung mit der Wiederauferstehung des gefrorenen südlichen Kontinents.
Während die Promise den Erdball umkreiste, versuchte eine kleine Schar von Raumwacht-Ärzten fieberhaft zu gewährleisten, dass die Alphaner keine unerwünschten mikrobiellen Parasiten einschleppten. Der Bordarzt der Promise , Dr. Axel Pollard, versuchte seine Kollegen indes davon zu überzeugen, dass die Mikroorganismen der Alphaner in der irdischen Biochemie nicht lebensfähig waren. Als die Ärzte der Solarier ihm endlich glaubten, verlagerte sich die Suche auf die Identifizierung von Krankheiten, die es zum Zeitpunkt des Abflugs der Pathfinder noch gegeben hatte und die in der Zwischenzeit auf der Erde ausgemerzt worden waren. Die Entdeckung eines solchen »fossilen Pathogens« verzögerte die medizinische Freigabe um drei Tage, bis mit jedem Besatzungsmitglied der Promise entsprechende Tests durchgeführt worden waren.
Während er auf die medizinische Unbedenklichkeits-Bescheinigung wartete, beschäftigte Braedon seine Crew mit der Analyse des terrestrischen Industriepotenzials. Die Kartografen des Schiffs kartierten den Planeten in verschiedenen Bereichen des Spektrums, unter besonderer Berücksichtigung von Anlagen zur Energieerzeugung, der Landwirtschaft und Schwer- und Leichtindustrie. Sie registrierten das stündliche Anschwellen und Abebben des Straßenverkehrs, die Flugbewegungen und den Betrieb der riesigen Fischfarmen an den Küsten.
In Verbindung mit der Bodenvermessung tastete PROM den Himmel nach exoatmosphärischen Artefakten ab. In einem Radius von einem Dutzend Erddurchmessern zählte sie 42.712 separate Installationen. Diese umfassten die großen Habitate an den stabilen Punkten L4 und L5 bis hin zu den kleinen Forschungssatelliten, die in der oberen Atmosphäre kreisten.
Die Gemeinschaft erteilte der Besatzung der Promise zehn Tage nach der Ankunft im Polarorbit die medizinische Freigabe. Nach der Unbedenklichkeitsbescheinigung musste Braedon eine Entscheidung treffen, die er bisher tunlichst vermieden hatte – die Auswahl der Leute, die ihn zum Planeten begleiten sollten. Nach langen Diskussionen mit dem Kontakt-Team wurde beschlossen, dass vier die optimale Zahl für die Delegation war. Braedon wählte schnell den Gelehrten Price und Kaplan Ibanez, um schon einmal zwei der drei verfügbaren Stellen zu besetzen. Die Auswahl des letzten Teammitglieds erwies sich indes als schwieriger.
»Ich schlage Terra vor«, sagte PROM.
»Terra? Sie ist die Letzte, die ich in Betracht ziehen würde.«
»Aber auch nur deshalb, weil Sie die Kommunikation auf der Erde nicht so gründlich beobachtet haben wie ich. Man ist hingerissen von ihr. Fast jede Nachrichtensendung enthält Bilder von Terra, wie sie mit der Victrix Kontakt herstellt.«
»Das ist mir egal. Es ist zu gefährlich.«
»Dann muss ich auch gegen die Auswahl des Gelehrten Price protestieren. Er ist viel zu wertvoll, um ihn zu riskieren.«
»Ich brauche Price, um die technischen Fachgespräche zu führen.«
»Sie müssen aber auch einflussreiche Freunde unter den Solariern gewinnen. Terra wäre als Vermittlerin besser geeignet als sonst jemand an Bord.«
Braedon schüttelte heftig den Kopf. »Es gefällt mir trotzdem nicht.«
»Als ihr Vater ist Ihre Haltung verständlich. Trotzdem wird Ihr Urteilsvermögen durch Ihre Instinkte getrübt. Sie ist unser größter Sympathieträger und deshalb die logische Wahl.«
Die Sitzung mit dem Vorsitzenden Duval entpuppte sich als Staatsbankett mit fast eintausend Gästen.
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