Lebenssonden: Roman (German Edition)
Braedon wurde am Haupttisch platziert, während Terra, Gelehrter Price und Kaplan Ibanez einen Platz in der Menge bekamen. Hoch oben an den Wänden beobachteten Überwachungskameras die Veranstaltung und nahmen am häufigsten die drei Alphaner ins Visier. Terra bemerkte mindestens zwei Linsen, die sie verfolgten, als sie einem livrierten Kellner zu ihrem Tisch folgte. Der Führer stellte sie ihren Tischgenossen vor, von denen die meisten sich mit eindrucksvollen Titeln schmückten.
»Wie finden Sie die Erde, meine Liebe?«, fragte eine juwelenbesetzte Matrone nach ein paar Minuten Smalltalk.
»Das weiß ich noch nicht. Ich bin nämlich erst seit zwölf Stunden hier, müssen Sie wissen. Was ich gesehen habe, ist aber schon sehr aufregend gewesen.«
»Wirklich, meine Liebe? Ich kann mir nicht vorstellen, was an diesem ramponierten alten Erdball aufregend sein sollte. Nicht nach den Bildern von Ihrem Heimatplaneten, die ich letzte Woche in den Nachrichten gesehen habe. Würde ich inmitten solch einer wilden Schönheit leben, käme ich nicht auf die Idee, meine Heimat zu verlassen.«
»Ich glaube, ich betrachte es vom entgegengesetzten Standpunkt aus«, sagte Terra.
»Vielleicht können wir unseren Gast dazu bewegen, uns etwas über unsere ferne Kolonie zu erzählen«, sagte ein fetter Mann in einer teuren Schottenmontur.
Terra verspürte zunächst einen Anflug von Verärgerung wegen »unsere Kolonie«, ließ es dann aber dabei bewenden. Sie beschrieb ihr Leben zu Hause und schilderte die Abenteuer der Besteigung von Randall’s Ridge, des Tauchens am Langen Riff von Murphisburg und des Skifahrens an der Windseite der Sägezahnberge. Sie beschrieb die Alien-Relikte, machte einen kleinen Exkurs in Alphas Geschichte und erläuterte, wie die Suche nach der Schöpfer -Sonne vonstatten gehen sollte.
Sie hörte erst auf zu reden, als es Zeit für die Tischreden wurde. Als der dritte Redner mitten in seinem langatmigen Willkommen für »unsere verlorenen Brüder vom fernen Stern Procyon« war – er sprach es falsch aus als »Prockjohn« -, warf Terra einen Blick auf die Stelle, wo ihr Vater auf der Empore neben dem Vorsitzenden Duval saß. Er und Duval waren in ein angeregtes Flüstergespräch vertieft. Obwohl sie nicht zu hören vermochte, was gesagt wurde, glaubte Terra, einen Anflug von Empörung in den Gesten ihres Vaters zu entdecken.
»Bist du mit dem Vorsitzenden einig geworden?«, fragte sie ihn später, als sie wieder im Hotel waren.
Braedon runzelte die Stirn und schaute seine Tochter flüchtig an. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
Terra erzählte ihm, welchen Eindruck sie von seiner Stimmung auf dem Bankett gehabt hatte. Er hörte mit einem verschmitzten Gesichtsausdruck zu. »Du bist bald so schlimm wie PROM. Die gönnt einem nämlich auch keine Privatsphäre.«
»Gibt es denn Schwierigkeiten?«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte er mit einem Seufzer. »Es ist nur so, dass Vorsitzender Duval ein Meister darin ist, viel zu reden, ohne sich festzulegen. Er war nicht in der Lage, mir einen festen Zeitplan für die Unterzeichnung des Bauvertrags zu nennen.«
Sie runzelte die Stirn. »Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?«
Braedon lächelte. »Du solltest dir lieber eine schöne Zeit machen, solange du die Gelegenheit dazu hast. Sobald der Bau beginnt, werden wir zu beschäftigt sein, um uns zu kratzen. So, wie ich es verstanden habe, hat man morgen schon den ganzen Tag für uns verplant. Du gehst am besten schlafen.«
Aus dem »ganzen Tag« wurden schließlich drei ganze Wochen, an deren Ende Terra im Schnitt weniger als fünf Stunden Schlaf pro Nacht bekommen hatte. Die Solarier schienen darauf erpicht, ihren Gästen alles zu zeigen . In einer zehntägigen Tortur flogen sie die vier Alphaner um die halbe Welt – vom Ausgangspunkt Athen über ein halbes Dutzend Zwischenstationen zum Grand Canyon (ein Punkt auf der Reiseroute, der auf Terras Wunsch noch hinzugekommen war).
Am zwanzigsten Tag – nachdem sie Japan, Australasien und Hawaii bereist hatten -, litt Terra in San Francisco an leichten Kopfschmerzen. Außerdem hatte sich durch den ständigen Wechsel zwischen den Zeitzonen ihre innere Uhr verstellt, sodass sie ziemlich erschöpft war. Der Tag zeigte sich bewölkt und regnerisch. Terras persönliche Führerin, eine extrovertierte junge Frau namens Mischa Altman, schaute Terra über eine halbe Grapefruit hinweg an.
»Sie sagten, Sie wollten eine der Datenbanken sehen, richtig?«
Terras Hand
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